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Arthur Schopenhauer über die Vernunft |
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Der Gebrauch der Vernunft besteht eben darin, daß wir das Besondere durch das Allgemeine, den Fall durch die Regel ... erkennen, daß wir also die allgemeinsten Gesichtspunkte suchen: durch solche Uebersicht wird eben unsere Erkenntniß so sehr erleichert und vervollkommnet, daß dadurch der große Unterschied besteht zwischen dem thierischen und menschlichen Lebenslauf, und wieder zwischen dem Leben des gebildeten und des rohen Menschen. Arthur Schopenhauer (W I 575) |
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Obiges Zitat zeigt, welche Bedeutung Schopenhauer dem Gebrauch der Vernunft beigemessen hatte. Hieraus darf aber nicht gefolgert werden, dass Arthur Schopenhauer - wie etwa die weitaus meisten Theologen und Philosophen - zwischen Mensch und Tier einen wesentlichen Unterschied sah, denn, so betonte Schopenhauer : Das Wesentliche und Hauptsächliche im Tier und im Menschen sei das Selbe. Was Tier und Mensch voneinander unterscheide, läge nicht im Primären, ... im inneren Wesen ..., sondern allein im Sekundären, im Intellekt, im Grade der Erkenntnißkraft, welcher beim Menschen durch das hinzukommende Vermögen abstrakter Erkenntniß, genannt Vernunft , ein ungleich höherer ist ... Hingegen ist des Gleichartigen zwischen Mensch und Tier, sowohl psychisch als somatisch, ohne allen Vergleich mehr.(1) Deutlicher als der von ihm ansonsten hochgeschätzte Philosoph Kant unterschied Arthur Schopenhauer zwischen Vernunft und Tugend, die nicht gleichgesetzt werden dürfen: Vernünftiges Handeln bedeute, dass der Mensch sich durch Gedanken und Begriffe leiten läßt, und daher stets überlegt und besonnen zu Werke geht. ... Keineswegs aber implicirt dieses Rechtschaffenheit und Menschenliebe. Vielmehr kann man höchst vernünftig, also überlegt, besonnen, konsequent, planvoll und methodisch zu Werke gehen, dabei aber doch die eigen- nützigsten, ungerechtesten, sogar ruchlosesten Maximen befolgen. Daher ist es vor Kant keinem Menschen je eingefallen, das gerechte, tugendhafte und edle Handeln mit dem vernünftigen Handeln zu identifizieren. ... Vernünftig und Lasterhaft lassen sich sehr wohl vereinen, ja, erst durch ihre Vereinigung sind große, weitgreifende Verbrechen möglich. Ebenso besteht Unvernünftig und Edelmüthig sehr wohl zusammen: z. B. wenn ich heute dem Dürftigen gebe, was ich selbst morgen noch dringender, als er, bedürfen werde; wenn ich mich hinreißen lasse, einem Nothleidenden die Summe zu schenken, auf die mein Gläubiger wartet ...(2) Durch diese lebensnahen Beispiele wies Arthur Schopenhauer auf eine Tatsache hin, die wohl von manchen Moralpredigern nicht gern zur Kenntnis genommen wird: Vernunft muss nicht tugendhaft Abgesehen davon, schätzte Schopenhauer durchaus den Gebrauch der Vernunft, sofern sich das nicht auf bloßes Jonglieren mit Begriffen beschränkt. Letzteres ist oft in Büchern festzustellen, die tiefsinnig erscheinen wollen, aber dem Leser in Wahrheit keine neuen Erkenntnisse bringen, sondern lediglich seine Zeit vergeuden - ein Ärgernis, das Schopenhauer anprangerte: Jedes bloß rein vernünftige Gerede ist ... eine Verdeutlichung Dessen, was aus gegebenen Begriffen folgt, fördert daher nichts Neues zu Tage, könnte also Jedem selbst zu machen überlassen bleiben, statt daß man täglich ganze Bücher damit füllt.(3) Nicht immer ist das, was sich den Anschein gibt, Vernunft zu sein, auch tatsächlich Vernunft. Oft ist es nur das, was Schopenhauer in Anlehnung an Kant Vernünfteln nennt: ... dies besteht eben in einem Subsumiren von Begriffen unter Begriffe, ohne Rücksicht auf den Ursprung derselben, und ohne Prüfung der Richtigkeit ..., wodurch man dann, auf längerm oder kürzerm Umwege, zu fast jedem beliebigen Resultat, das man sich als Ziel vorgesteckt hatte, gelangen kann.(4) So erreicht der durch Vernünfteln verschrobene Geist (5) vielleicht das gewünschte Ziel, der Wahrheit aber kommt er dadurch nicht näher. |
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Anmerkungen Obige Aussagen fasst das folgende Schopenhauer - Zitat zusammen: “ Wenn nun etwan gesagt wird: Dies lehrt die gesunde Vernunft , oder auch: Die Vernunft soll die Leidenschaften zügeln und dergl. mehr; so ist damit keinesfalls gemeint, daß die Vernunft aus eigenen Mitteln materielle Erkenntnisse liefere; sondern man weist dadurch hin auf die Ergebnisse des vernünftigen Nachdenkens, also auf die logische Folgerung aus den Sätzen, welche die aus der Erfahrung bereicherte, abstrakte Erkenntniß allmälig gewonnen hat, und vermöge welcher wir sowohl das empirisch Nothwendige, also vorkommenden Falls Vorauszusehende, als auch die Gründe und Folgen unsers eigenen Thuns deutlich und leicht überblicken können. Überall ist vernünftig oder vernunftgemäß gleichbedeutend mit folgerecht oder logisch; wie auch umgekehrt; da ja die Logik eben nur das als ein System von Regeln ausgesprochene natürliche Verfahren der Vernunft selbst ist ... In eben diesem Sinne versteht man unter einer vernünftigen Handlungsweise eine ganz konsequente, also von allgemeinen Begriffen ausgehende und von abstrakten Gedanken, also Vorsätzen, geleitete, nicht aber durch den flüchtigen Eindruck der Gegenwart bestimmte; wodurch inzwischen über die Moralität einer solchen Handlungsweise nichts entschieden wird, sondern diese sowohl schlecht, als gut seyn kann.”(G 116) Zum Unterschied zwischen Vernunft und > Verstand |
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