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Arthur Schopenhauers Ethik und die altindischen Upanishaden |
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"Die Leser meiner Ethik wissen", schrieb Arthur Schopenhauer, "daß bei mir das Fundament der Moral zuletzt auf jener Wahrheit beruht, welche im Veda und Vedanta ihren Ausdruck hat an der stehend gewordenen mystischen Formel Tat twam asi (dies bist du), welche mit Hindeutung auf jedes Lebende, sei es Mensch oder Tier, ausgesprochen wird und dann die Mahavakya, das große Wort, heißt". (1) Dieses "große Wort" aus den altindischen Upanishaden, welches für Schopenhauer das Fundament seiner Ethik bedeutete, erläuterte er an mehreren Stellen seiner Werke. Hierbei hob er den Gegensatz zur christlichen Ethik hervor, indem er nachdrücklich darauf hinwies, dass es sich auch auf die Tiere bezieht: "Bei den Hindus und Buddhaisten hingegen gilt die Mahavakya (das große Wort) Tat-twam-asi (Dies bist du), welches allezeit über jedes Tier auszusprechen ist, um uns die Identität des innern Wesens in ihm und uns gegenwärtig zu erhalten, zur Richtschnur unsers Tuns." (2) Somit findet laut Schopenhauer auch die Tierethik letztlich ihre Begründung nicht in der Behauptung, Tierschutz sei Menschenschutz, sondern in der Erkenntnis des Tat-twam-asi. (3) Diese für Schopenhauers Ethik grundlegende Erkenntnis erklärte im Chandogya-Upanishad, die zu den ältesten der Upanishaden gehört, der Weise Aruni seinem Sohn Shvetaketu anhand anschaulicher Beispiele. So forderte er diesen auf, ihm eine Nyagrodhafrucht zu bringen und sie aufzuspalten. Anschließend fragte er seinen Sohn, was er in der gespaltenen Frucht sehe. Der Sohn sah nichts. Daraufhin sprach der Vater: "Der feinste Stoff, den du nicht wahrnimmst, aus dem besteht der große Nyagrodhabaum: Glaube, mein Lieber, dieser feinste Stoff durchzieht dies All, das ist das Wahre, das ist das Selbst, das bist du, Shvetaketu." (4) In Schopenhauers Philosophie ist es nicht der "feinste Stoff", sondern das Metaphysische, das Schopenhauer Wille nannte und sich in allen Erscheinungsformen dieser Welt "objektiviert", sich also auch als Mensch und Tier manifestiert. Somit sind Mensch, Tier und Pflanze laut Schopenhauers Philosophie und dem "großen Wort" der Upanishaden, der Mahavakya, bei aller äußerer Verschiedenheit im Grunde wesensgleich. Zum Begriff Mahavakyya schrieb der Indologe und Religionswissenschaftler Helmuth von Glasenapp: "In dem ´großen Worte` (maha-vakya) ´tat tvam asi` ... liegt der Grundgedanke der Upanishaden beschlossen: die Erkenntnis, daß jedes Einzelwesen in seinem Kern mit dem Allwesen eines ist." (5) Wenn im "großen Wort" Mahavakya der Grundgedanke der Upanishaden enthalten ist und dieses auch das Fundament von Schopenhauers Ethik ist, dann zeigt sich hieran die besondere spirituelle Nähe der Philosophie Schopenhauers zu den altindischen Upanishaden. Das ist durchaus bemerkenswert, denn Arthur Schopenhauer und die Upanishaden trennt ein zeitlicher Abstand von weit mehr als zwei Jahrtausenden!
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