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Upanishaden - Mystik - Philosophie ( Arthur Schopenhauer )

Die Erlösungsmystik der Upanishaden - mit diesen Worten überschrieb der Religionswissenschaftler Friedrich Heiler das die Upanishaden betreffende Kapitel in seinem Buch “Die Religionen der Menschheit”. (1) Das ist eine sehr zutreffende Überschrift, denn sie bringt das wesentliche Anliegen der Upanishaden zum Ausdruck: Erlösung aus dem Leid des Vergänglichen.

“Aus dem Wust priesterlicher Afterweisheit” erhebt sich “wie eine strahlende Sonne aus  düsteren Nebelmassen die Erlösungsweisheit der Upanishaden”. Die Mystik der Upanishaden, so Friedrich Heiler weiter , ”ist die Antwort der Seher auf ein brennendes Erlösung- verlangen”. Dazu zitierte er aus dem Maitrayani-Upanishad (I 4) die an einen Weisen gerichtete, geradezu flehende Bitte: Errette mich, denn ich fühle mich in diesem Weltlauf wie ein Frosch in einem wasserlosen Brunnenloch.  

Jedoch wie ist solche “Errettung“ möglich? Eine Antwort hierauf fand Friedrich  Heiler in den Upanishaden -  es ist dort der Pfad der Mystik (2): “Der Weg zur Erlösung geht über das eigene Innere. Wer sich von der äußeren Sinnenwelt abwendet, die Leidenschaft seines Herzens zur Ruhe bringt und nur noch von dem Verlangen nach dem geistigen Selbst erfüllt ist, dem strahlt im Innersten ein neues Licht auf, der gelangt schließlich ... zum Erlebnis der vollen inneren Einheit ... In diesem Wirklichkeitserlebnis ist er schlechthin eins geworden ohne ein Zweites ... Durch die Aufhebung jedes Unterschiedes von Ich und Du, von Subjekt und Objekt weitet sich das Bewußtsein ins Unendliche ...

Diese Wirklichkeit, Einheit, Unendlichkeit und Allheit, die der vedische Mystiker in sich trägt, ist so gewaltig und wundervoll, daß er dafür kein anderes Wort hat als das Priesterwort für die kosmische Macht, Brahman . Seine Einheit mit der höchsten Wirklichkeit vermag er nicht anders auszudrücken als durch eine Reihe von Identitätsformeln ... Die wichtigste dieser Formeln aber, das große Wort ... schlechthin ist das Tat twam asi .  .... In dieser Erkenntnis ist die Erlösung beschlossen” (3)

     Friedrich Heiler wies hierzu auf eine wesentliche Voraussetzung hin, nämlich der Gnadenwahl. Auf dieser beruhe letztlich, so Heiler, die “wunderbare Erleuchtung”, “die Erfahrung der Einheit von Atman-Brahman ”(4):

                  Nicht durch Belehrung wird erlangt das Atman,
                  Nicht durch Verstand und viel Schriftgelehrtheit;
                  Nur wen er wählt, von dem wird er begriffen:
                  Ihm macht der Atman offenbar sein  Wesen.
(5)

Von Gnadenwahl bzw. Gnadenwirkung war Arthur Schopenhauer nicht zuletzt durch sein tiefes Verständnis für die Mystiker überzeugt:  “Ihre große innere Übereinstimmung, bei der Festigkeit und Sicherheit ihrer Aussagen”, so Schopenhauer, beweise, dass die Mystiker, “aus wirklicher, innerer Erfahrung reden, einer Erfahrung die zwar nicht Jedem zugänglich ist, sondern nur wenigen Begünstigten zu Theil wird, daher sie den  Namen Gnadenwirkung erhalten hat, an deren Wirklichkeit nicht zu zweifeln ist” (6).

Bei der Gnadenwirkung und damit in der Mystik geht es um einen Bereich, welcher der Philosophie kaum zugänglich ist. Dementsprechend schrieb Arthur Schopenhauer zum Verhältnis seiner Philosophie zur Mystik:

 “Meine Philosophie unterscheidet sich von der Mystik dadurch, daß diese von Innen anhebt und ich von Außen: ich meine dies: Der Mystiker geht aus von seiner innern individuellen Erfahrung, in welcher er sich erkennt als das Centrum der Welt und das ewige alleinige Wesen. Allein mittheilbar ist hievon nichts, als eben Behauptungen, die man auf sein Wort glauben soll: Ueberzeugen kann er nicht: Ich dagegen gehe aus von der bloßen Erscheinung, die Allen gemeinsam ist, die Reflexion über welche sich also vollkommen mittheilen läßt: und da nur von solchen Erfahrungen die Rede ist, die allen gemein sind, so ist Ueberzeugung möglich. - Allein dagegen nimmt meine Philosophie grade auf ihrem höchsten Gipfel einen negativen  Karakter an: sie spricht nur von dem was verneint, aufgegeben werden soll: was dafür aber gewonnen und ergriffen wird muß sie als ein Nichts bezeichnen und als Trost hinzufügen daß es nur ein relatives Nichts sei, kein absolutes: während der Mystiker hier eben ganz positiv verfährt. Daher ist die Mystik eine vortreffliche Ergänzung meiner Philosophie: und wer mich gelesen hat, wird sehr wohl thun, das Mystische im Upanischad  ... zu lesen.”(7)  

Arthur Schopenhauer sah sich selbst, wie obiges Zitat zeigt, als Philosoph, doch er war weit mehr: Alfred Hillebrandt bezeichnet ihn in seiner Einleitung zu den  Upanishaden als den “großen deutschen Mystiker des neunzehnten Jahrhunderts”(8). Wohl auch deshalb dürfte Schopenhauers Philosophie eine vorzügliche Hinführung zur ansonsten esoterischen Mystik der Upanishaden sein.
                                                                                                                                        

Anmerkungen

(1)  Hierzu und dem folgenden: Friedrich Heiler, Die Religionen
       der Menschheit, 3. Aufl.,  Stuttgart: Reclam 1980, S.149 f.
(2)  Laut “Philosophischem Wörterbuch” (21. Aufl., Stuttgart :
       Kröner 1982, Stichwort “ Mystik ”) geht es dabei um “das
       Bestreben, das Übersinnliche, Transzendente ...durch Abkehr
       von der Sinnenwelt und Versenkung in die Tiefe des eigenen
       Seins (Meditation) zu erfassen”. In den theistischen Religionen
       sei es das “Aufgehen des eigenen Bewußtseins in Gott”, um
       “mit diesem eins zu werden” ( unio mystica ).
(3)   Friedrich Heiler, a.a.O., S. 149 f.
(4)   Friedrich Heiler, a.a.O., S.150.
(5)   Kathaka - Upanishad 2, 23, in: Die Geheimlehre des Veda,
        ausgewählte Texte der Upanishad´s, übers. von Paul Deussen,
         6. Aufl.,  Leipzig : Brockhaus 1921, S. 159.
(6)   Arthur Schopenhauer´s sämmliche Werke. Hrsg. von
        Julius Frauenstädt, 2. Aufl., Leipzig: Brockhaus 1919,
        3. Die Welt als Wille und Vorstellung II, S 706.
        Auf Gnadenwirkung wies Schopenhauer auch in den für seine
        Philosophie grundlegenden Briefen an Johann August Becker
        vom 23. Aug. und 21. Sept. 1844 hin. S. Gesammelte Briefe /
        Arthur Schopenhauer, hrsg. von Arthur Hübscher, 2. Aufl.,
        Bonn: Bouvet 1987, S. 213-218.
(7)   Arthur Schopenhauer, Der handschriftliche Nachlaß in fünf
        Bänden, hrsg. von Arthur Hübscher, Band  3,  München:
        Deutscher Taschenbuch Verlag 1985, S. 345.
        Im gleichen Sinne schrieb Arthur Schopenhauer im 2. Band
        seines Hauptwerkes  “Die Welt als Wille und Vorstellung”:
        “Wer inzwischen zu der ... Erkenntnis, bis zu welcher allein
        die Philosophie (also auch die von Schopenhauer ) ihn leiten
        kann, ... Ergänzung wünscht, der findet sie am schönsten und
        reichhaltigsten im Oupnekhat”, d. h.  in den Upanishaden .
        ( Arthur Schopenhauer´s sämmtliche Werke , a. a. O., S. 703).
(8)   Upanishaden . Die Geheimlehre der Inder, übertr. u. eingel. von
        Alfred Hillebrandt,  Köln : Diederichs 1983, S. 12.

     > Arthur Schopenhauer und die Upanishaden ( Oupnekhat )

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