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über

Vivisektionen / Tierversuche

und christliche Moral

Arthur Schopenhauer war einer der ersten weltbekannte Philosophen, die mit deutlichen Worten die Vivisektionen, wie Tierversuche damals genannt wurden, anprangerten. So schrieb er zum Beispiel:

"Heut zu Tage ... hält jeder Medikaster sich befugt, in seiner Marterkammer die grausamste Thierquälerei zu treiben, um Probleme zu entscheiden, deren Lösung längst in Büchern steht." (1)

In der jetzigen Zeit mag das vielleicht etwas anders sein,  aber die Zahl der Tierversuche ist immer noch erschreckend hoch, vermutlich sogar noch erheblich höher als zu Schopenhauers Zeit.

Einer der Gründe für den unzureichenden Erfolg im Kampf gegen die Tierversuche ist wohl auch die Einstellung der großen christlichen Kirchen, die sich, was Tierversuche betrifft, auffallend zurückhalten. Ja es scheint sogar, dass sie Tierversuche, weil sie angeblich den Menschen dienen, grundsätzlich befürworten.

Für Arthur Schopenhauer war der tiefere Grund für die bedauerliche Einstellung der vom Christentum geprägten Gesellschaft zu den Tierversuchen die Tatsache, dass "die christliche Moral die Thiere nicht berücksichtigt; so sind diese sofort auch in der philosophischen Moral vogelfrei, sind bloße ´Sachen`, bloße Mittel zu beliebigen Zwecken, also etwan zu Vivisektionen ...". (2)

Ob die Tierversuchsgegner ein baldiges Verbot der Tierversuche erreichen, ist leider fraglich, weil die - laut Schopenhauer - “unmittelbar gewisse Wahrheit” bisher nicht “zur Geltung gelangen” konnte, "daß die Thiere in der Hauptsache und im Wesentlichen ganz das Selbe sind, was wir, und daß der Unterschied bloß im Grade der Intelligenz, d. i. Gehirnthätigkeit liegt. ... Erst, wenn jene einfache und über allen Zweifel erhabene Wahrheit  in´s Volk gedrungen seyn wird, werden die Thiere nicht mehr als rechtlose Wesen dastehn und ... wird es nicht jedem Medikaster freistehn, jede abenteuerliche Grille seiner Unwissenheit durch die gräßlichste Quaal einer Unzahl Thiere auf die Probe zu stellen". (3)

Mit der "Hauptsache" und dem "Wesentlichen", das bei Mensch und Tier "ganz das Selbe" seien, meinte Schopenhauer das Metaphysische, welches sich in allen Erscheinungen des Lebens manifestiere und von ihm Wille und in den altindischen Upanishaden das Brahman genannt wurde. Hier zeigt sich ein völlig anderes Verständnis von Tier und Mensch als in der christlichen Moral, welche laut Martin Luther davon ausgeht, dass die Tier nur um der Menschen wegen von Gott geschaffen wurden. (4) Entsprechend dieser christlichen Moral können Tiere zu menschlichen Zwecken gebraucht werden, was z. B. auf besonders schreckliche Weise bei den Tierversuchen der Fall ist!

Jedoch selbst wenn, wie Schopenhauer meinte, unter bestimmten Umständen der Mensch das Recht habe, dem Tier das Leben zu nehmen oder seine Kräfte zu gebrauchen, so gelte das - worauf er ausdrücklich hinwies - keinesfalls für Vivisektionen.

In einem obigen Zitat nannte Arthur Schopenhauer eine wesentliche Voraussetzung für das Ende der Tierversuche, nämlich dass “die Tiere nicht mehr als rechtlose Wesen dastehen”. Es geht somit um die Anerkennung von Tierrechten, also um das grundsätzliche Recht der Tiere auf  Leben und Gesundheit, was Tierversuche künftig erschweren, wahrscheinlich sogar unmöglich machen würde. Hierbei kann Schopenhauers Philosophie mit ihrer die Tiere einbeziehenden, metaphysisch tief gegründeten Ethik durchaus hilfreich sein.

Schopenhauers allumfassende Mitleidsethik ist für Vivisektionen ein Hindernis: Wer zum Beispiel Versuche an Affen, Schweinen, Hunden und anderen hoch entwickelten, dem Menschen sehr nahe stehenden Tieren Versuche anstellt, darf in sich kein Mitleid mit den Opfern aufkommen lassen.

Völlig anders die christliche Moral. Sie steht solchen Tierversuchen nicht entgegen. Bezeichnend für das Desinteresse der christlichen Moral am Tierschutz ist eine Begebenheit, von der Schopenhauer berichtete:

 “Ich habe, von sicherer Hand, vernommen, daß der protestantische Pfarrer, von einer Thierschutz- gesellschaft aufgefordert, eine Predigt gegen Thierquälerei zu halten, erwidert habe, daß er, beim besten Willen, es nicht könne, weil die Religion ihm keinen Anhalt gebe. Der Mann war ehrlich und hatte Recht.” (5)


Weiteres:

Magnus Schwantje über Arthur Schopenhauer und den Tierschutz > hier.


Anmerkungen:
(1)
Arthur Schopenhauer , Zürcher Ausgabe, Werke in zehn Bänden, Band X: Parerga und Paralipomena II, Kp. 15: Ueber Religion, § 177: Ueber das Christenthum, Zürich 1977, S .412.
(2) Schopenhauer, a. a. O., Band VI: Die beiden Grundprobleme der Ethik / Preisschrift über die Grundlage der Moral, S. 202
(3) Schopenhauer. a. a. O., Band X, S. 415.
(4) D. Martin Luther´s Tischreden oder Colloquia, hrsg. und erl. von Karl Eduard Förstemann, Leipzig 1844, S. 141.
(5) Schopenhauer, a. a. O. (Anm. 1), S. 410. Dort sind weitere Begründungen für Arthur Schopenhauers Kritik an der christlichen Moral und ihrem Desinteresse am Tierschutz.

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