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Upanishaden / Vedanta ,

Buddhismus und  Arthur Schopenhauer

 Die Philosophie Arthur Schopenhauers im Verhältnis
zu den Upanishaden / Vedanta  und zum Buddhismus
 aus der Sicht Helmuth von Glasenapps

Helmuth von Glasenapp (1891-1963), Professor für Indologie und vergleichende Religionswissenschaft, veröffentlichte zahlreiche Schriften zu Philosophie und Religionen Indiens, von denen einige  zu Standardwerken wurden. Sein besonderes Interesse für Arthur Schopenhauer kam auch durch   seine Mitgliedschaft in der Schopenhauer-Gesellschaft zum Ausdruck.

Beim folgenden Glasenapp-Zitat ist zu berücksichtigen, dass - worauf von Glasenapp in seinen Werken oftmals hinwies - sowohl die > Upanishaden als auch der > Buddhismus im Laufe vieler Jahrhunderte sich erheblich weiter entwickelt hatten. Der Vergleich der Philosophie Arthur Schopenhauers mit den Upanishaden und dem Buddhismus kann sich daher nur auf bestimmte Bereiche dieser Lehren beziehen. Hier geht es, was den Buddhismus betrifft, vor allem um die Lehre des Theravada.

Der im Zitat mehrmals verwendete Begriff Vedanta steht im engen Zusammenhang mit den Upanishaden: Vedanta ist das Sanskritwort für das Ende der Veden. Dieser Schlussteil der Veden enthält die Upanishaden und mit ihnen die eigentlichen philosophischen Betrachtungen und Folgerungen aus den Veden.

Helmuth von Glasenapp: “Das stärkste Echo hat die indische Gedankenwelt bei Arthur Schopenhauer gefunden, hat er doch ausdrücklich bekannt, das Beste seiner eigenen Entwicklung nächst dem Eindruck der anschau- lichen Welt den Werken Platos, Kants und der Inder zu verdanken. Schopenhauer war von den Upanishaden, die er in der Übersetzung Anquetil Duperrons kennen lernte, so tief beeindruckt, daß er sie als ,fast übermenschliche Konzeptionen bezeichnete. Er sah in ihnen das größte Geschenk    des Jahrhunderts und erwartete von ihnen eine tiefe Einwirkung auf das europäische Geistesleben, vergleichbar derjenigen, welche im 15. Jahrhundert von der Wiederentdeckung des Griechischen ausging.

Neben dem Vedanta, der auf die Upanishaden gegründeten Lehre vom All-Geist, zog ihn vor allem der Buddhismus in seinen Bann. Als äußeres Sinnbild seiner Verehrung für den Siegreich- Vollendeten thronte eine tibetanische Buddhastatue in seinem Arbeitszimmer und mit Stolz glaubte er seine Lehre in Übereinstimmung mit der Religion, welche, wie er meinte, viel mehr Bekenner zählt als irgend eine andere.

Zweifellos weist Schopenhauers Lehre eine Fülle von Zügen auf, welche für alle indischen metaphysischen Systeme mehr oder weniger charakteristisch sind. Dazu gehören:

1. die übergeschichtliche Betrachtung des Weltprozesses, der im Gegensatz zu der Anschauung der meisten abendländischen Philosophen keinen Anfang hat und keinem letzten Ziel zustrebt,

2. die Einsicht, daß alles irdische Dasein leidvoll und im letzten Sinne zwecklos ist und deshalb besser nicht wäre,

3. die Vorstellung, daß das Begehren der eigentlich unerschöpfliche Quell alles individuellen Lebens ist und dieses auch über den Tod hinaus verlängert,

4. die Hoffnung, durch eine Verneinung des Willens zum Leben, wie sie in der Askese praktisch vollzogen werden kann, die Erlösung von den Fesseln des Daseins zu erreichen.

Ungeachtet dieser Übereinstimmung mit den großen Heilslehren der Brahmanen und Buddhisten kann Schopenhauers System jedoch weder als eine Art Vedanta noch als eine Form des Buddhismus angesprochen werden. Zwar lehrt Schopenhauer gleich dem späteren Vedanta einen erkenntnistheoretischen Idealismus, für welchen alle Vielheit eine Maya, ein Trug ist; aber das All-Eine, das hinter der Erscheinungswelt steht, ist für ihn der blinde Weltwille, der aufgehoben werden muß, um das Heil zu erreichen - nicht ein ewig-seliger Allgeist, der nach Tilgung aller täuschenden Aufbildungen als ens realissimum (das Allerrealste) übrig bleibt.

Und ebensowenig behauptet der radikale Pluralismus des alten Buddhismus, daß der Wille das    in Raum und Zeit erscheinende Ding an sich sei, sondern sieht in dem Lebensdurst (trishna) einen von den zahllosen vergänglichen Daseinsfaktoren, die gesetzmäßig in funktioneller Abhängigkeit voneinander entstehen und durch ihr Zusammenwirken den Strom (santana, Kontinuum) des scheinbaren Einzelwesens hervorbringen. So ist Schopenhauers Metaphysik ein Denkgebilde durchaus eigener Prägung, mag er selbst auch geglaubt haben, sich mit den an sich so stark verschiedenen indischen Philosophien des Seins ( Vedanta ) und des Werdens ( Buddhismus ) in innerer Übereinstimmung befunden zu  haben.”

Zit. aus: Helmuth von Glasenapp, Die indische Welt.
Baden-Baden 1948, S. 292 ff.
Dazu ausführlichere Darstellung dieses Themas in:
Helmuth von Glasenapp, Das Indienbild deutscher Denker
(dort bes. 1. Teil, Nr.7. Schopenhauer ), S. 68-101.


Anmerkung

Wenn von Glasenapp oben auf den “radikalen Pluralismus des alten Buddhismus”, also des Theravada-Buddhismus, hinweist, so möchte ich dem folgende Aussage des Buddha gegenüberstellen: ´ Alles ist eine Einheit `, so lehrt eine Weltweisheit,  ´ alles ist eine Vielheit von je für sich bestehenden einzelnen Substanzen `, so lehrt eine andere. Diese beiden Enden vermeidend, verkündet der Vollendete in der Mitte die wahre Lehre. (Helmuth von Glasenapp, Pfad zur Erleuchtung, Buddhistische Grundtexte. Düsseldorf/Köln 1974, S. 61.) Der spätere Buddhismus (Mahayana-Buddhismus) entwickelte sich wie die Upanishaden zu einer monistischen Lehre, welche m. E. in erstaunlicher Übereinstimmung zu Arthur Schopenhauers Philosophie steht. Das gilt besonders für den
 > Yogacara - Buddhismus.

Ob Arthur Schopenhauers Metaphysik, wie in obigem Zitat zum Ausdruck kommt, nur ein “Denkgebilde” ist, darf bezweifelt werden. Die Umstände, unter denen wesentliche Teile von Schopenhauers Philosophie entstanden waren, deuten schon auf eine Art von “Offenbarung” hin, wie sie ähnlich von einigen Mystikern bekannt ist (Weiteres  > dort).

S. auch  > Upanishaden als Vorläufer des Buddhismus

 

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