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Wer sich mit den Anfängen der Philosophie und in diesem Zusammenhang mit den altindischen Upanishaden näher befasst, wird in der Philosophie des alten Griechenlands, Chinas und auch Indiens erstaunlich viele Ähnlichkeiten entdecken. Es geht hierbei um die sogenannte Achsenzeit. Dieser von Karl Jaspers geprägte Begriff bezeichnet, wie das Philosophische Wörterbuch erklärt, “den antiken Wendepunkt der Menschheitsgeschichte, an dem sich - etwa zwischen 800 und 300 - in allen Kulturen (China, Indien, Iran, Judäa, Griechenland) das Auftreten von Denken und kritischen Reflektionen ereignet hat ...”(1). Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für die Wende von der Magie zur Philosophie, also für den sich allmählich vollziehenden Übergang vom anfangs allein vorherrschenden magischen Denken zu einem sich immer deutlicher herausbildenden philosophischen Weltverständnis sind die Upanishaden. Während die weitaus größte Zahl der Menschen des alten Indiens noch magischen Praktiken anhing, weil sie sich von ihnen wirksame Hilfe für alle Bedrohungen im Lebensalltag erhofften, gab es eine zwar kleine, aber doch ständig größer werdende Schicht von Suchenden, welche nach Erkenntnis dessen strebten, was “die Welt im Inneren zusammen hält”. So fragten sie nach der eigentlichen Ursache aller Existenz und damit auch allen Leides. Diese geradezu revolutionäre Entwicklung im menschlichen Erkenntnisstreben beschrieb der weithin als kompetent geltende Indologe Helmuth von Glasenapp in seinem Buch Die Religionen Indiens, und zwar im Kapitel Die Upanishaden : “Die Philosophie Altindiens entstand im Anschluß an den Opferdienst; sie wurde aus der Spe- kulation über das Ritual geboren, trat aber dadurch gerade vielfach in Gegensatz zu jenem. Ihre Verkündiger waren zum Teil Priester, welche den Zusammenhang zwischen Ritus und Weltgeschehen zu erforschen, den geheimnisvollen Sinn des Opferworts zu ergründen suchten, Brahmanen, die den Schatz ererbter Opferweisheit bereichern und vertiefen wollten. Neben ihnen aber begegnen uns andere, freiere Geister aus anderen Ständen, die, weniger gebunden durch die Fesseln der Tradition, welche im Ritus des Lebens höchsten Ausdruck sah, selbständig in den Grund des Daseins einzudringen suchten ... Die Upanishaden (´Geheimlehren`) in welchen uns die Gedanken der Wahrheitssucher jener Tage überliefert sind, sind den Brahmanas eingebettet oder angehängt.(2) Der Übergang zwischen diesen beiden, in mancher Hinsicht so verschiedenartigen Schriften ist zumeist kein unmittelbarer; auf das Brahmana folgt vielmehr in der Regel ein Aranyaka, ein Waldbuch, d. h. Werk, das, da für Unberufene voll von magischen Gefahren, außerhalb des Dorfes, von den im Walde lebenden Zweimalgeborenen, die den 3. Ashrama erreicht hatten, studiert werden sollte. Das Aranyaka enthält dann die Upanishad oder läuft in sie aus. Es bildet nicht nur seiner Stellung, sondern auch seinem Inhalt nach einen Übergang: es gibt keine Darstellung des Rituals, sondern eine spekulative Ausdeutung desselben und vermittelt damit gleichsam zwischen dem Ritualismus der Brahmanas und der Philosophie der Upanishaden. Als Anhang zu den Brahmanas stehen die Upanishaden am Schluß des Veda; sie sind somit das Veda-Ende, der Vedanta, und werden oft deshalb mit diesem Worte bezeichnet. Ihrem Wesen als einer philosophischen Lehre nach sind sie jedoch auch das Endziel des Veda, und in diesem Sinne ist das Wort Vedanta der Name eines philosophischen Systems - oder richtiger einer Anzahl von philosophischen Systemen - geworden, die den Anspruch erheben, sich auf die Lehre der Upanishaden zu gründen. Die enge Verbindung, die zwischen den Upanishaden und den Brahmanas besteht, tritt an zahlreichen Stellen in ihnen aufs klarste in die Erscheinung. Denn vieles in diesen Traktaten atmet ganz und gar den Geist brahmanischer Opferweisheit; die Opferrufe werden mystisch gedeutet, die heiligen Handlungen allegorisch erklärt, ja, es werden sogar Zaubersprüche mitgeteilt und Riten, durch die man Liebesleidenschaft erwecken oder sich durch Verehrung der Sonne von Sünde reinigen könne. Hier erscheinen die Upanishaden als die Erben primitiver Weltanschauung, all das fortführend, was viele Werke vor ihnen schon ähnlich ausgesagt und geschildert hatten. Unmittelbar neben derartigen Stellen, in denen uralter Glaube und Aberglaube sein Recht fordert, stehen Abschnitte, in denen noch unbeholfenes Denken die ersten tastenden Versuche unter- nimmt, um zur Bestimmung metaphysischer Begriffe zu gelangen, und dann wieder Aussprüche und Strophen, in denen tiefinnerliches Schauen mit der Kraft weltentrückten Sehertums Unvergängliches, Allgemeingültiges über die mystische Einheit von Einzel- und Weltseele verkündet. Die Stellen der letztgenannten Art sind es, die den Upanishaden einen bleibenden Wert sichern, nicht nur in der Geschichte des indischen Denkens, das sie aufs tiefste beeinflußt haben, sondern in der Geschichte des religiösen Bewußtseins der Menschheit. Sie ( die Upanishaden ) gehören unstreitig zu dem Erhabensten und Bedeutendsten, das die mystische Dichtung aller Zeiten hervorgebracht hat und stehen den schönsten Abschnitten in den Werken neuplatonischer und islamischer Mystiker, in den Schriften eines Eckehart oder Angelus Silesius ebenbürtig zur Seite. Mit vollem Recht haben deshalb so verschieden geartete Geister wie Schelling und Schopenhauer die Upanishaden als höchste Erzeugnisse mystischer Weisheit bewundert und gepriesen.”(3) Philosophie heißt in der wörtlichen Übersetzung aus dem Griechischen Weisheitsliebe. So geht es beim Philosophieren, wenn es mehr ist als bloßes Vergnügen an Begriffsakrobatik, letztlich um das Streben nach Weisheit, um das Bemühen, der Wahrheit näher zu kommen. Diese Suche nach Wahrheit fand in den Upanishaden ihren Höhepunkt, und zwar in der Erkenntnis der mystischen Einheit von Einzel- und Weltseele und somit auch von Ich und Du - erfasst in den drei Sanskritworten: |
Anmerkungen |
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