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Upanischaden (4) |
Erkenntnis - Handlung - Ethik - Entsagung -
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Auszüge aus: Karl Gjellerup, Die Upanischaden. |
Diese erlösende Erkenntnis ist also grundverschieden von jeder anderen Art von Erkenntnis ... Alles (ist durch die erlösende Erkenntnis) neu geworden. Ganz so verhält es sich ... mit jener Umwandlung des ganzen Menschen, die als Erkenntnis von Brahman bezeichnet wird ... : Wer jenes Höchst und Tiefstes schaut, “(Wer solches weiß,) den überwältigt beides nicht, ob er darum (weil er im Leibe war) das Böse getan hat oder ob er das Gute getan hat: sondern er überwältigt beides; ihn brenne nicht, was er getan und nicht getan hat” ... Wenn ganz hypothetische und eigentlich undenkbare schlechte Handlungen dem Erlösten nichts anhaben können, so werden gute Handlungen ihm selbstverständlich ebenso wenig schaden. Diese sind - wie im Paulinischen und protestantischen Christentum - ein Begleitphänomen, nicht etwas, was Verdienst begründet. Sie sind eben eine natürliche Folge der Identitäts-Erkenntnis, wie dies so schön und einfach (nach der negativen Seite hin: neminem laede) in einem Verse von Bhagavad-Gita ausgesprochen wird, der in Deussens Verdeutschung lautet: Dieselbe höchste Gottheit Die Ethik bekommt hier ihre einzig mögliche Begründung. Die christliche Forderung “Liebe Deinen Nächsten wie Dich selber”, wird erklärt, indem auf die natürlich Frage: warum? “das große Wort” antwortet: “Weil er du selbst ist” ( tat tvam asi ), und sie wird zugleich auf alle lebenden Wesen erweitert: “Vor mir haben Frieden alle Wesen, denn von mir sind sie alle erschaffen worden”, sagt der mit Brahman Eins gewordene Asket (Aruneya Upanischad 3). Allerdings ist es eine natürliche Folge dieser Erkenntnis, die Entsagung sich praktisch und äußerlich äußern zu lassen, als ein Sich-Abwenden von dieser Welt und ihrem Wesen - ein Phänomen, das ja auch im Christentum eine nicht geringe Rolle spielt - und eine Reihe kleinerer Upanischaden gibt uns ein anschauliches Bild jener “höchsten Wandervögel”, wie die Entsager mit einem stimmungsvollen Symbol genannt werden. “Zu ihm ( Brahman ) auch pilgern hin die Pilger, als die nach der Heimat sich sehnen. Dieses wußten die Altvordern, wenn sie nicht nach Nachkommenschaft begehrten und sprachen: ´ Wozu brauchen wir Nachkommen, wir, deren Seele die Welt ist.` Und sie standen ab von dem Verlangen nach Kindern, von dem Verlangen nach Besitz, von dem Verlangen nach der Welt und wandelten umher als Bettler. Denn Verlangen nach Kindern ist Verlangen nach Besitz und Verlangen nach Besitz ist Verlangen nach der Welt; denn Eines wie das Andere ist eitel Verlangen. Aber ebenso wenig wie im Christentum ist das Einsiedler- und Mönchleben eine notwendige Konsequenz, im Gegenteil: die entsagende Gesinnung selbst ist das Entscheidende. Wenn die vorhanden ist, kann man auch äußerlich in der Welt bleiben und ihre Güter genießen, wie das Isa Upanischad (1-2) lehrt: In Gott versenk dies Weltall Mag immerhin, sein Werk treibend, In diesem letzten Ausdruck sowohl wie im vorhin zitierten “seine Werke werden Nichts“ liegt etwas mehr und Tieferes, als unser Begriff der Vergebung der Sünden. Das Werk ( Karma ) - die Summe sowohl guter wie böser Handlungen - ist dem Inder die Wurzel, woraus nach dem Tode eine neue Existenz emporschießt, die mit der abgetanen ethisch und metaphysisch zusammenhängt (Wiedergeburt, Metempsychose, Reinkarnation). Die Meinung ist also, daß die Bedingung für eine solche (neue Existenz) wegfällt: keine Wiedergeburt kann stattfinden. Die Seelen der Anderen ziehen im Tode aus, um wiedergeboren zu werden, je nach dem Werke, nicht so die des wahrhaft Erkennenden, des Erlösten, bei dem dieser Ausdruck sogar seinen Sinn verloren hat, weil er ja schon Eins geworden ist mit dem zeit- und raumlosen Brahman. Für ihn kann mit dem Tode keine andere Veränderung eintreten, als daß die schon durchschaute Weltillusion, zu welcher auch seine eigene individuelle Persönlichkeit gehört, wegfällt, wie ein verworrener Traum sich beim Erwachen auflöst. > Weiter |
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