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Arthur Schopenhauer : Das Unbewusste

Aus: Schopenhauer-Lexikon.
Ein philosophisches Wörterbuch,
nach Arthur Schopenhauers sämmtlichen Schriften und handschriftlichem Nachlaß
bearbeitet von Julius Frauenstädt. Band 1, Leipzig 1871, S. 86 ff.

Das Bewusste im Gegensatze zum Unbewussten.

Unsere besten, sinnreichsten, und tiefsten Gedanken treten plötzlich ins Bewusstsein, wie eine Inspiration. Offenbar aber sind sie Resultate langer, unbewusster Meditation. Beinahe möchte man es wagen, die physiologische Hypothese aufzustellen, dass das bewusste Denken auf der Oberfläche des Gehirns, das unbewusste im Inneren seiner Marksubstanz vor sich gehe. (P. II, §. 41.)

Vergleichen wir unser Bewusstsein mit einem Wasser von einiger Tiefe; so sind die deutlich bewussten Gedanken bloß die Oberfläche; die Masse hingegen ist das Undeutliche, die Gefühle, die Nachempfindung der Anschauungen und des Erfahrenen überhaupt, versetzt mit der eigenen Stimmung unseres Willens, welcher der Kern unseres Wesens ist. Diese Masse des ganzen Bewusstseins ist nun, mehr oder weniger, nach Maßgabe der intellektuellen Lebendigkeit in steter Bewegung, und was in Folge dieser auf die Oberfläche steigt, sind die klaren Bilder der Phantasie, oder die deutlichen, bewussten Gedanken und die Beschlüsse des Willens. Selten liegt der ganze Prozess unseres Denkens und Beschließens auf der Oberfläche. Urteile, Einfälle und Beschlüsse steigen oft unerwartet und zu unserer eigenen Verwunderung aus der Tiefe unseres Inneren auf. Das Bewusstsein ist die bloße Oberfläche unseres Geistes, von welchem, wie vom Erdkörper, wir nicht das Innere, sondern nur die Schale kennen. (W. II, 148 fg.)


Anmerkung der Redaktion

Zur fundamentalen Bedeutung des Unbewussten schrieb Arthur Schopenhauer in sein Manuskriptbuch Adversaria (1828): “Alles Ursprüngliche, alles ächte Seyn ist unbewußt :  was durch das Bewußseyn durchgegangen, ist Vorstellung geworden, und seine Aeußerung ist die Mittheilung einer Vorstellung. Alle ächten Eigenschaften im Karakter oder Geiste des Menschen sind daher unbewußt, und nur als solche machen sie tiefen Eindruck. Alles Bewußte der Art ist wenigstens zur Hälfte Affektation [Getue, Ziererei], d. i. Trug. Was der Mensch unbewußt leistet, kostet ihm keine Mühe: der Art sind die ursprünglichen Conceptionen [schöpferischen Einfälle], welche allen ächten Leistungen zum Grunde liegen.” ( Arthur Schopenhauer , Der Handschriftliche Nachlaß, hrsg. von Arthur Hübscher, Band 3, München 1985, S. 439.)

Arthur Schopenhauers Erkenntnisse zum Unbewussten waren folgenreich: So hatte zum Beispiel Sigmund Freud den Zusammenhang seiner Lehre mit der Philosophie Schopenhauers anerkannt: “Die wenigsten Menschen dürften sich klar gemacht haben, einen wie folgenschweren Schritt die Annahme unbewußter seelischer Vorgänge für Wissenschaft und Leben bedeuten würde. Beeilen wir uns aber hinzuzufügen, daß nicht die Psychoanalyse diesen Schritt zuerst gemacht hat. Es sind namhafte Philosophen anzuführen, vor allem der große Denker Schopenhauer, dessen unbewußter ´ Wille ` den seelischen Trieben der Psychoanalyse gleichzusetzen ist.” ( Zitat von Sigmund Freud aus: Über Arthur Schopenhauer ,   hrsg. von Gerd Haffmans,  3. Auflage, Zürich 1981, S. 219.)

                > Arthur Schopenhauer : Das Bewusstsein

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