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über

den Tod und das Bleibende

Gehen die Lebewesen mit dem Tod völlig unter oder ist in ihnen etwas Bleibendes, etwas das durch den Tod nicht gänzlich zerstört wird? Arthur Schopenhauer gibt auf diese alle Menschen zutiefst berührende Frage im zweiten Band seines Hauptwerkes eine trostreiche Antwort, und zwar im berühmten Kapitel Über den Tod und sein Verhältnis zur Unzerstörbarkeit  unseres Wesens an sich.

Schopenhauer wies dort zunächst auf die Tatsache hin, dass mit dem Tod der Körper und mit ihm das Gehirn als Träger des Bewusstseins  und somit des Intellekts zerstört ist. Jedoch sind, wie er in seiner Philosophie sehr eingehend begründete, Bewusstsein und Intellekt nicht das Wesentliche, sondern das, was Bewusstsein und Intellekt   hervorbrachte. Er nannte es Wille.  So sind laut Schopenhauer Gehirn, Bewusstsein und Intellekt - wie alles Körperliche -  nicht das Bleibende, sondern lediglich zeitlich begrenzte, also vergängliche Erscheinungsformen eines metaphysischen Willens. Daher wird zwar der Intellekt, aber nicht dieser ihm zugrunde liegende Wille vom Tod betroffen. Er, der Wille, der sich in jedem Lebewesen manifestiert,  ist über dessen Tod hinaus das Bleibende!  Arthur Schopenhauer beschrieb diesen metaphysischen Zusammenhang, der zum Kern seiner Philosophie gehört, im oben genannten Kapitel sehr deutlich: 

“Alle Philosophen haben darin geirrt, daß sie das Metaphysische, das Unzerstörbare, das Ewige im Menschen in den Intellekt setzten: es liegt ausschließlich im Willen, der von jenem gänzlich verschieden und allein ursprünglich ist. Der Intellekt ist ... ein sekundäres Phänomen und durch das Gehirn bedingt, daher mit diesem anfangend und endend. Der Wille allein ist das Bedingende, der Kern der ganzen Erscheinung, von den Formen dieser, zu welchen die Zeit gehört, somit frei, also auch unzerstörbar.

Mit dem Tode geht demnach zwar das Bewußtseyn verloren, nicht aber Das, was das Bewußtseyn hervorbrachte und erhielt: das Leben erlischt, nicht aber mit ihm das Princip des Lebens, welches in ihm sich manifestirte.

Daher also sagt Jedem ein sicheres Gefühl, daß in ihm etwas schlechthin Unvergängliches und Unzerstörbares sei. Sogar das Frische und Lebhafte der Erinnerungen aus der fernsten Zeit, aus der ersten Kindheit, zeugt davon, daß irgend etwas in uns nicht mit der Zeit sich fortbewegt, nicht altert, sondern unverändert beharrt.” *

Was ist nun dieses Bleibende, dieses “irgend etwas in uns”, das “nicht altert” und Schopenhauer als “Wille” bezeichnete? Es  lässt sich nicht beschreiben, erinnert aber an das, was in den von Schopenhauer überaus geschätzten altindischen Upanishaden “Atman” genannt wird. Damit ist wohl  die “Einzelseele” gemeint. Diese ist - wie die  Upanishaden als tiefste aller esoterischen Erkenntnisse enthalten - letztlich mit der unsterblichen “Weltseele”, dem “Brahman”, identisch (Tat twam asi **).  So wird vielleicht auch verständlich, warum Arthur Schopenhauer meinte, die Upanishaden seien der “Trost meines Lebens” gewesen und würden auch der “meines Sterbens” sein. ***


Weiteres: Arthur Schopenhauer über unser wahres Selbst, den Kern unseres Wesens > hier und den > Upanishaden.

Anmerkungen
* Arthur Schopenhauer , Zürcher Ausgabe, Werke in zehn Bänden, Band IV: Die Welt als Wille und Vorstellung II.  Kap. 41: Ueber den Tod und sein Verhältniß zur Unzerstörbarkeit unsers Wesens, Zürich 1977, S. 573-581.
** S. Das Tat twam asi in den Upanishaden und der Ethik Schopenhauers > hier.
*** Arthur Schopenhauer , a. a. O., Band X: Parerga und Paralipomena II, S. 437.

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