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Arthur Schopenhauer

Zur Lebensphilosophie von Arthur Schopenhauer

Das Leid und seine Ursache: der “ Wille ”

Wenn das Leben leidvoll ist, dann muss der Grund hierfür in der Ursache des Lebens liegen. Für Arthur Schopenhauer war es der Wille zum Leben. Schopenhauer erkannte, dass dieser Wille zum Leben Ausdruck eines allumfassenden metaphysischen Willens ist, der als das Ding an sich - wie es der von ihm hochverehrte Kant nannte - das Wesen der Welt ausmacht. (1)

Jeder Blick auf die Welt, welche zu erklären die Aufgabe des Philosophen ist, bestätigt und bezeugt, daß  Wille  zum Leben , weit entfernt ... ein leeres Wort zu sein, der wahre Ausdruck ihres innersten Wesens ist. Alles drängt zum Dasein ... (2)

An den “Millionen von Formen”, in denen das Leben erscheint, werde, so Arthur  Schopenhauer, sichtbar, dass der Wille zum Leben das Allerrealste ist, was wir kennen, ja der Lebenswille sei der Kern der Realität selbst. (3)

In dieser Realität, dem Lebenswillen, äußert sich ein metaphysischer Wille. Er manifestiert sich in einer ungeheuren Vielfalt von Erscheinungsformen. Dennoch ist dieser metaphysische Wille selbst eine  Einheit, die uns jedoch in der Welt als Vielheit erscheint. Ursache hierfür ist das, was Schopenhauer als das  > principium individuationis bezeichnete. Diese Vielheit ist kein fried- volles Nebeneinander. Im Gegenteil: 

So sehen wir in der Natur überall Streit, Kampf und Wechsel des Sieges, und werden eben darin weiterhin die dem Willen wesentliche Entzweiung mit sich selbst deutlicher erkennen. Jede Stufe der Objektivation des Willens [z. B. als Pflanze, Tier oder Mensch] macht der andern die Materie, den Raum, die Zeit streitig... (4)

Durch die gesamte Natur läßt sich dieser Streit verfolgen, ja sie besteht eben wieder nur durch ihn ... ist doch dieser Streit nur die Offenbarung der dem Willen wesentliche Entzweiung mit sich selbst. Die deutlichste Sichtbarkeit erreicht dieser allgemeine Kampf in der Tierwelt, welche die Pflanzenwelt zu ihrer Nahrung hat, und in welcher selbst wieder jedes Tier die Beute und Nahrung  eines andern wird ... in dem jedes Tier sein Dasein nur durch die beständige Aufhebung eines fremden erhalten kann, so daß der Wille zum Leben durchgängig an sich selber zehrt und in verschiedenen Gestalten seine eigene Nahrung ist, bis zuletzt das Menschengeschlecht, weil es alle andern überwältigt, die Natur ein Fabrikat zu seinem Gebrauch ansieht, dasselbe Geschlecht jedoch auch ... in sich selbst jenen Kampf, jene Selbstentzweiung des Willens zur furchtbarsten Deutlichkeit offenbart, und homo homini lupus wird ... (5)

Im Grunde entspringt dies daraus, dass der Wille an sich selbst zehren muß, weil außer ihm nichts da ist und er ein hungriger Wille ist. Daher die Jagd, die Angst und das Leiden. (6)

 

Anmerkungen
(1) Näheres zum > Willen
(2) W II (Kap. 28), S. 410.
(3) Ebd., S. 411.
(4) W I (§ 27), S. 197
(5) Ebd., S. 197 f.
     Schopenhauer beruft sich in diesem Zusammenhang auf den vorsokratischen Philosophen Empedokles: “denn wenn der Streit nicht den Dingen innewohnte, so würde alles Eines sein.”  Hierzu sei auf einen anderen Vorsokratiker, Heraklit, verwiesen, für den der Kampf ein Weltprinzip war: “Kampf ist der Vater von allem ...” und “Man muß wissen, das der Kampf das  Gemeinsame ist und das Recht der Streit, und daß alles Geschehen vermittels des Streites und der Notwendigkeit erfolgt.” (Zitiert nach “Die Vorsokratiker. Die Fragmente und Quellenberichte über- setzt und eingeleitet von Wilhelm Capelle, Stuttgart 1968 , S. 135.) Bemerkenswert ist, dass Heraklit, obwohl der Kampf der “Vater von allem” sei, dennoch von einer metaphysischen Einheit aller Dinge ausging: “Wenn ihr nicht auf mich, sondern auf den Logos hört, ist es weise, anzuerkennen, daß 
alles eins   ist.”
(Capelle, a.a.O., S. 131.)    
homo homini lupus = Der Mensch dem Menschen ein Wolf:
Plautus, Asinaria, II, 495.
(6) W I (§ 28), S. 206
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