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Karlheinz Deschner

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Arthur Schopenhauer

Karlheinz Deschner war aufgrund seiner katholischen Erziehung ursprünglich gläubiger Christ. In einem Interview sagte Deschner über seine Kindheit und Jugendzeit:

„Gläubig war ich als Kind. Mit zehn wollte ich Priester werden. Mit elf schon nicht mehr. Mit fünfzehn las ich Nietzsche, als Student Schopenhauer und Kant. Das genügte für den Abschied vom Christentum.“ (1)

Es war nicht nur ein Abschied von dem ihm anerzogenen Glauben, sondern auch der Beginn einer Entwicklung, die dazu führte, dass Deschner Christentum  und Kirche immer entschiedener ablehnte und schließlich zu einem der kenntnisreichsten und bedeutendsten Kirchenkritiker der Neuzeit wurde.

  Deschners Kirchenkritik blieb nicht ohne Erfolg, wie Horst  Herrmann, bis 1981 Priester und Professor für katholisches Kirchenrecht an der Universität Münster, in der Zeitschrift Der Spiegel schrieb:

Der Verdacht vieler, die Kirche habe schmutzige Hände, wird durch die Knochenarbeit Deschners zur Gewißheit. (2)

Sehr kritisch über die Kirche und das Christentum äußerte sich auch Arthur Schopenhauer, wobei aber diese Kritik in Schopenhauers Schriften nicht derart im Mittelpunkt steht wie bei  Deschner. So ist zum Beispiel Deschners vielbändiges Hauptwerk Kriminalgeschichte des Christentums weit umfangreicher als Kapitel 15 Ueber Religion im zweiten Band von Schopenhauers Spätwerk Parerga und Paralipomena.

In ihrer Kritik am Christentum stimmen jedoch Deschner und Schopenhauer weitgehend überein. Beide halten die angebliche  Existenz eines allmächtigen,  allwissenden und zugleich auch allgütigen Schöpfergottes völlig unvereinbar mit dem furchtbaren Leid von Mensch und Tier. Zu diesem als Theodizee bekannten Problem der monotheistischen Religionen schrieb Schopenhauer in eines seiner Manuskriptbücher:  „Wenn ein Gott diese Welt gemacht hat, so möchte ich nicht der Gott seyn: ihr Jammer würde mir das Herz zerreißen.(3)

Das tiefgefühlte Mitleid, das in obigen Worten zum Ausdruck kommt, galt bei Schopenhauer wie bei Deschner nicht nur Menschen, sondern auch Tieren gegenüber. “Erschüttert wie ... kaum ein anderer”, so schrieb Deschner, sei Schopenhauer über das Tierleid gewesen und mit Empörung habe er, wie Deschner sie nannte, “christliche Tierverachtung” angeprangert.  (4)

 Im Christentum, meinte Deschner, “ist das Tier eine Sache; bloßes Ausbeutungs-, Zucht-, Jagd- und Freßobjekt, der Mensch der Todfeind des Tieres, sein Teufel”. (5)

Ähnlich äußerte sich Schopenhauer, denn für ihn waren die Menschen “die Teufel der Erde, und die Thiere die geplagten Seelen”. (6) Es sei, so meinte er, ein “nicht weg zu erklärender und seine heillosen Folgen täglich manifestirender Grundfehler des  Christenthums, daß es widernatürlicherweise  den Menschen losgerissen hat von der Thierwelt, welcher er doch wesentlich angehört, und ihn nun ganz allein gelten lassen will, die Thiere geradezu als Sachen betrachtend”. (7)

In philosophischer Hinsicht war Deschner Agnostiker, was er in einem Beitrag unter dem Titel Warum ich Agnostiker bin ausführlich begründete. (8)

Agnostiker, so erklärt das Wörterbuch der philosophischen Begriffe, ist eine zuerst von dem englischen Naturforscher Thomas Huxley 1869 gebrauchte “Bezeichnung, derjenigen, die über die letzten Gründe des Seins, das Absolute, nichts wissen zu können behaupten, also jede Metaphysik ablehnen”. (9)

Deschner erläuterte sein Verständnis des  Begriffes Agnostiker im Zusammenhang mit der Frage nach Gott: „Der Theismus behauptet, der Atheismus bestreitet Gott. Den Beweis aber, den freilich der Theist zuerst führen müßte, bleibt jeder schuldig. Denn niemand kann Gott, niemand kann seine Nichtexistenz beweisen … Was läge näher, als das Problem offen zu lassen? Dies eben tut der Agnostiker.” (10) 

Zur weiteren Erläuterung zählte Deschner einige berühmte Personen auf, die er für Agnostiker hielt. Schopenhauer nannte er hierbei jedoch nicht, und zwar  zu Recht:

Schopenhauer selbst konnte die Frage, ob er Agnostiker sei, nicht beantworten, da dieser Begriff - wie bereits erwähnt - zu seinen Lebzeiten noch nicht verwendet wurde. Die Tatsache aber, dass er einen der wichtigsten Teile seiner Philosophie, die Ethik, metaphysisch begründete, und dass der Begriff Wille, der im Mittelpunkt seiner Philosophie steht, im metaphysischen Sinne zu verstehen ist, zeigt, dass Schopenhauer die Metaphysik nicht ablehnte, ja er rechtfertigte sie sogar:

 “Die Rechtfertigung der Metaphysik als solcher”, so schrieb der Philosoph und Schopenhauer-Forscher Heinrich Hasse, “gehört zu Schopenhauers unvergänglichen Leistungen ... Die Konzeption des all-einen, all-umfassenden, all-durchdringenden Urwillens als Kernes und Trägers der Erscheinungswelt ist, als metaphysische Hypothese, eine Entdeckung ersten Ranges.” (11)

Somit war Schopenhauer kein Agnostiker im Sinne des oben definierten Begriffes. Das unterschied ihn von Deschner. Dennoch gab es zwischen beiden viel Gemeinsames. Dazu gehörte  ihre Tierliebe und entschiedene Ablehnung der - wie Deschner sie, wie oben erwähnt, nannte - “christlichen Tierverachtung”.  Daher ist es durchaus naheliegend, Karlheinz Deschner als Schopenhauerianer zu bezeichnen, zumal für ihn Arthur Schopenhauer das “bewunderte Vorbild” war, auf den er sich oft in seinen Schriften berufen konnte. (12)


Weiteres:
Karlheinz Deschner , Arthur Schopenhauer und die Tierethik > hier.
Karlheinz Deschner , Aphorismen (darunter auch solche mit religions- und kirchenkritischem Inhalt) > Blogbeitrag. *


Anmerkungen

*
Ich, der Verfasser des obigen Beitrages, hatte das Glück, nicht nur einen sehr interessanten Vortrag des 2014 verstorbenen Kirchenkritikers Karlheinz Deschner zu hören, sondern von ihm 2011 auch einen Brief zu erhalten, in welchem er sich bei mir für meinen ihn “sehr ehrenden Essay”  herzlich bedankte. Bei einem der sich anschließenden Telefongespräche  fragte er, ob ich Schopenhauer für einen Agnostiker hielte, was ich aus obigen Gründen verneinte.
 
(1) Es muß anders werden, Deschner im Interview mit der Weltwoche, in: Karlheinz Deschner und seine große Kriminalgeschichte des Christentums, Broschüre vom Rowohlt Verlag zum Erscheinen von Band 9 im Juli 2008, S. 9 f.
(2)  Horst Herrmann, Einer singt falsch beim Halleluja,
in: Der Spiegel 1/1989 ( > Archiv ).
(3) Arthur Schopenhauer , Der handschriftliche Nachlaß in fünf Bänden, hrsg. von Arthur Hübscher, Band 3. München 1985, S. 57.
S. hierzu auch: Leid und Gott (Theodizee) aus der Sicht von Arthur Schopenhauer und des Buddhismus > hier.
(4) Karlheinz Deschner, Oben ohne. Für einen götterlosen Himmel und eine priesterfreie Welt, Reinbek bei Hamburg 1997, S. 80.
(5) Karlheinz Deschner, Für ein Bissen Fleisch. Das schwärzeste aller Verbrechen, Asku-Presse, o. O. u. J., S. 16.
(6)
Arthur Schopenhauer , Zürcher Ausgabe, Werke in zehn Bänden, Band X: Parerga  und Paralipomena II, Kap. 15: Ueber Religion, Zürich 1977, S. 410. 
(7) Ebd., S. 408.
(8) Deschner, Oben ..., a. a. O.,, S. 16 ff.
(9) Wörterbuch der philosophischen Begriffe, hrsg. von Johannes Hoffmeister, 2. Aufl., Hamburg´1955, S. 19.
(10) Deschner, Oben ..., a. a. O., S. 43.
(11)  Heinrich Hasse, Schopenhauer, München 1926, S. 431 und 433.:
Weiteres > Arthur Schopenhauer : Der metaphysische Wille.
(12) Der Hinweis, dass Schopenhauer das „bewunderte Vorbild“ Deschners gewesen sei, wurde dem Text auf dem Umschlag des oben zu (4) genannten  Deschner-Buches entnommen. Selbst wenn dieser Text vom Verlag stammt, erscheint es ausgeschlossen, dass er ohne Deschners vorhergehende Zustimmung veröffentlicht wurde. 

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