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Arthur Schopenhauer : Buddhismus |
Für Arthur Schopenhauer war der Buddha der “Siegreich-Vollendete” und der Buddhismus “unsere allerheiligste Religion”.(1) Daher ist es verständlich, dass er sich und seine Anhänger als “Buddhaisten” bezeichnete. Dennoch stellt sich die Frage, ob Schopenhauers Philosophie tatsächlich als “Buddhismus” gelten kann. Der indische Philosoph und ehemalige Vizepräsident der indischen Republik Radhakrishnan war wohl dieser Meinung. In seinem Hauptwerk “Indian Philosopy” nannte er Schopenhauers Lehre eine “revidierte Version des alten Buddhismus”.(2) Schopenhauer selbst hob die Nähe seiner Philosophie zum Buddhismus hervor: “Wollte ich die Resultate meiner Philosophie zum Maaßstabe der Wahrheit nehmen, so müßte ich dem Buddhaismus den Vorzug vor den anderen [Religionen] zugestehn. Jeden Falls muß es mich freuen, meine Lehre in so großer Übereinstimmung mit einer Religion zu sehn ... Diese Übereinstimmung muß mir aber um so erfreulicher seyn, als ich bei meinem Philosophiren, gewiß nicht unter ihrem Einfluß gestanden habe. Denn bis 1818, da mein Werk erschien, waren über den Buddhaismus nur sehr wenige, höchst unvollkommene und dürftige Berichte in Europa zu finden ... Erst ist nach und nach eine vollständigere Kunde von dieser Religion zu uns gelangt.” (3) Schopenhauer verfolgte diese Entwicklung mit größtem Interesse, und je mehr er über den Buddhismus erfuhr, desto mehr wandte er sich der Lehre des Buddha zu. Ab 1826, so schrieb der Schopenhauer- und Buddhismus-Forscher Urs App, interessierte sich Schopenhauer “zunehmend für buddhistische Literatur und - mit Ausnahme des Oupnekhat [der lateinischen Fassung der Upanishaden] natürlich immer weniger für Veda- und Purana-Literatur”.(4) Der Buddhismus entstand vor etwa 2500 Jahren. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass er sich während dieses langen Zeitraumes erheblich weiterentwickelte und sich dabei in zahlreiche neue Richtungen aufspaltete. So bildeten sich aus dem alten Buddhismus neue Lehren heraus, denen nicht mehr eine pluralistische, sondern eine monistische Philosophie zugrunde liegt. Seitdem stehen sich zwei große Richtungen im Buddhismus (Hinayana und Mahayana) gegenüber, die erheblich voneinander abweichen, denn es macht einen wesentlichen Unterschied aus, ob die Welt grundsätzlich als Vielheit oder letztlich als Einheit verstanden wird. Dementsprechend muss jeder Vergleich zwischen Schopenhauers Philosophie und dem Buddhismus deutlich zum Ausdruck bringen, auf welche der buddhistischen Lehren er sich bezieht. Da die Philosophie Schopenhauers monistisch ist, besteht - zumindest in dieser Hinsicht - größere Übereinstimmung mit dem Mahayana-Buddhismus als mit der ursprünglichen Lehre des Buddha. Gemeinsam ist allen buddhistischen Richtungen die Verehrung des Buddha. Auch Schopenhauer brachte ihm tiefe Verehrung entgegen. In einem Gespräch mit einem Besucher seiner Wohnung erklärte er: “Sie werden keinen christlichen Heiligen, kein Crucifix bei mir finden, und doch habe ich meine Penaten [Hausgötter]. Ich habe mich lange bemüht einen alten Buddha zu erhalten, endlich hat der Geheimerath Crüger einen solchen, aus Tibet stammend, in Paris für mich erstanden.”(5) Hierbei war, wie Schopenhauer in einem Brief erläuterte, der “auf einer schönen Konsole in der Ecke” aufgestellte Buddha so platziert, “daß Jeder bei seinem Eintritt schon sieht, wer in diesen ´heiligen Hallen` herrscht”.(6) Die Übereinstimmung zwischen Schopenhauer und dem Buddhismus wird auch deutlich in der Ethik. So hob Schopenhauer an mehreren Stellen seiner Werke die im Gegensatz zum Christentum tierfreundliche Einstellung des Buddhismus lobend hervor, zumal er das Thema Tiere und Tierschutz - anders als die meisten anderen weltbekannten Philosophen - in seine Philosophie einbezog.(7) Was diese Philosophie selbst betrifft, so ist bedeutsam ein Buch, das Schopenhauer noch kurz vor seinem Tode gelesen hatte. Verfasser ist der deutsch-russische Buddhologe Isaac Jacob Schmidt. Es geht dabei um einen Text (Prajna-Paramita) des Mahayana-Buddhismus. Schopenhauer zitierte hieraus, indem er das Zitat handschriftlich in ein Exemplar seines Hauptwerkes eintrug. (8) Dieser Zusatz betrifft das Wort Nichts, welches am Ende des Abschnittes Bejahung und Verneinung des Willens steht. Die von Schopenhauer für so wichtig gehaltene Ergänzung lautet: “Dies [also das sogenannte “Nichts”] ist eben auch das Pradschna-Paramita der Buddhaisten, das ´Jenseits aller Erkenntniß`, d. h. der Punkt, wo Subjekt und Objekt nicht mehr sind`”.(9) Mit diesem aufschlussreichen Zusatz, den Schopenhauer ganz am Schluss seines Lebens eintrug, aber leider nicht mehr für eine Neuauflage seines Hauptwerkes verwenden konnte, ging ein Weg zu Ende, der zum Buddhismus führte. Das war nicht nur für ihn persönlich von großer Bedeutung, sondern auch für viele Menschen, die über Schopenhauer zum Buddhismus kamen wie zum Beispiel Georg Grimm, der Gründer der Altbuddhistischen Gemeinde.(10) In einem Gespräch meinte Arthur Schopenhauer: Wenn man den Buddhaismus aus seinen Quellen studirt, da wird Einem hell im Kopfe. (11) Solche Quellen sind die durch Helmuth von Glasenapp übersetzten buddhistischen Grundtexte. Sie wurden veröffentlicht unter dem Titel: Pfad zur Erleuchtung. Dort heißt es: “Nur für den geistig Wachen eignet sich diese Lehre, nicht für den unbedacht Dahinlebenden.” (12) Dieses Buddha-Wort gilt gleichermaßen auch für die Philosophie Schopenhauers.
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