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Arthur  Schopenhauer

 Der unerschrockene ”Aristokrat” des Geistes

Arthur Schopenhauer

Teil 5 zu Arthur Schopenhauer - sein Leben und Werk.
Aus: Unsere Zeit. Jahrbuch zum Conversations-Lexikon,
 4. Band, Leipzig (Brockhaus) 1860, S. 711 ff.
 Die Rechtschreibung wurde beibehalten; Zwischenüberschriften und Anmerkungen  sind von der Redaktion.

So abgewendet auch Schopenhauer in seiner philosophischen Einsamkeit dem weltlichen Treiben war und so fremd er sich diesem fühlte, so aufmerksam und theilnehmend verfolgte er doch die Welthändel und war stets unterrichtet von allem, was in der politischen und literarischen Welt vorging; denn er widmete täglich einige Stunden der Lectüre der neuesten Zeitungen und Zeitschriften; citirt er doch sogar häufig in seinen Werken Zeitungsartikel zum Belege für seine Philosopheme.

Schopenhauer besaß eine erstaunliche Belesenheit in den alten und neuern Literaturen, sprach auch mehrere der neuern Sprachen geläufig. Das Beste seiner Entwicklung hat er, laut eigenen Bekenntnisses, dem Eindrucke der Werke Kant´s, dem der heiligen Schriften der Hindu und der Werke Plato´s, hauptsächlich aber dem der anschaulichen Welt zu verdanken. Aus dieser hat er auch stets mehr gelernt und geschöpft als aus Büchern, und daher die Lebensfrische in seinen Werken.

Hervorstechende Eigenschaften Schopenhauer`s sind: der tiefe Ernst, mit dem er seine Sache trieb und dessen er sich auch bewußt war, indem er die andern zeitgenössischen Philosophen ´Spaßphilosophen`  nannte; ferner die Unerschrockenheit im Denken, die ihn vor keinem Resultat zurückschrecken ließ, wenn er es nur für wahr hielt; die Unerbittlichkeit und Schonungslosigkeit gegen alles Schlechte und Verkehrte, besonders im literarischen Treiben der Zeitgenossen - Schopenhauer haßte das Cliquenwesen und die Kameraderie; ferner der Muth, herrschenden Vorurtheilen, unbekümmert um Autoritäten, entgegenzutreten.

Schopenhauer war Aristokrat; aber die Aristokratie, für die er sich erklärte, war die ´Natur`, der Geister     ´von Gottes Gnaden` , zu der er sich selbst rechnete. Der “Jetztzeit” war Schopenhauer nicht hold; schon dieser Ausdruck erregte seinen Spott.

 Besonders befand er sich in einem gereizten Zustande gegen die in der Tagesliteratur übernehmende Sprachverderbniß, denn er selbst gab viel auf Correctheit nicht blos des Gedankens, sondern auch des Stils, des sprachlichen Ausdrucks, ja sogar des Drucks. Ein sinnentstellender Druckfehler konnte ihn empören und, kam er in seinen eigenen Werken oder Citaten aus seinen Werken vor, unglücklich machen.

Das ganze flüchtige, lärmende und zerstreute Wesen der ´Jetztzeit` erregte seinen Unwillen, wie er denn überhaupt leicht zur Indignation über alles geneigt war, was seiner Denk- und Anschauungsweise entgegen war. Bei aller Strenge und allem Ernst der Forschung war doch in Schopenhauer ein starker Zug zur Gläubigkeit. Sein Dogma von der Allmacht des Willens ließ ihn an Magie und sogar an Tischrücken glauben, als worin er Belege zu seiner Metaphysik fand.”*

* Anmerkungen

  > Arthur Schopenhauer und die Magie                        

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