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Arthur Schopenhauer
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Dem Willen zum Leben ist das Leben gewiß. |
Im 2. Band von Die Welt als Wille und Vorstellung wies Arthur Schopenhauer auf einen sehr bemerkenswerten Zusammenhang hin, der für das Verständnis seiner Philosophie durchaus aufschlussreich ist: “ ... da der Intellekt, welcher allein die Fähigkeit der Erinnerung hat, der sterb- liche Theil, oder die Form ist, der Wille aber der ewige, die Substanz: demgemäß ist zur Bezeichnung dieser Lehre das Wort Palingenesie (Wiederentstehung) richtiger, als Metempsychose (Seelenwanderung). Diese steten Wiedergeburten machen dann die Succession der Lebensträume eines an sich unzerstörbaren Willens aus, bis er, durch so viele verschiedenartige, successive (allmähliche) Erkenntniß, in stets neuer Form belehrt und gebessert, sich selbst aufhöbe.”(1) Die nicht ganz einfach zu verstehende Formulierung “Succession der Lebens- träume eines an sich unzerstörbaren Willens” bedeutet die Aufeinanderfolge der vielen Erscheinungsformen, in denen sich der (metaphysische) Wille überall in der Welt mani- festiert. Dieser Wille ist ”an sich” unzerstörbar. Hingegen sind die Erscheinungs- formen des (metaphysischen) Willens, zu denen auch der Intellekt gehört, vergänglich. Deutlichstes Zeichen der Vergänglichkeit ist der Tod. Hierzu Schopenhauer: “Da der Wille das Ding an sich der innere Gehalt, das Wesentliche der Welt ist; das Leben, die sichtbare Welt, die Erscheinung, aber nur der Spiegel des Willens; so wird diese den Willen so unzertrennlich begleiten, wie den Körper sein Schatten: und wenn der Wille da ist, wird auch Leben, Welt daseyn. Dem Willen zum Leben ist also das Leben gewiß, und solange wir von Lebenswillen erfüllt sind, dürfen wir für unser Daseyn nicht besorgt seyn, auch nicht beim Anblick des Todes.”(2) Kurz gesagt: Die Form (womit vor allem das Physische gemeint ist) vergeht, das Wesen (der Wille) bleibt. Schopenhauer hatte das treffend schon in der Überschrift zum 41. Kapitel seines bereits erwähnten Hauptwerkes, aus dem obiges Zitat stammt, zum Ausdruck gebracht: Ueber den Tod und sein Verhältniß zur Unzerstörbarkeit unsers Wesens an sich. Diese Unzerstörbarkeit unseres Wesens äußert sich - ähnlich wie in den indischen Weisheitslehren - in immer neuen Wiedergeburten. Das hat nach Arthur Schopenhauers Philosophie überaus bedeutsame Konsequenzen: Indem das Leben stets neue Wiedergeburten durchläuft, kommt es auch zu neuer Erkenntnis, die nicht bloß seine Erscheinungsformen, sondern den (metaphysischen) Willen betrifft, denn er selbst wird durch diesen Prozess der Wiedergeburten “stets in neuer Form belehrt” und - das ist entscheidend - auch “gebessert”, und zwar, “bis er ... sich selbst aufhöbe”! In seinem Brief vom 23. August 1844 an seinen Freund August Becker räumte Arthur Schopenhauer ein, dass “die Welt ein mit Nothwendigkeit sich vollziehender Läuterungsprocesß des Willens” sein könne.(3) Vollzieht sich, wie Schopenhauer annahm, über viele Wiedergeburten ein Prozess, bei dem die Erkenntnis ständig “gebessert” wird, liegt es nahe, diesen als “Läuterungsprozess des Willens” zu deuten. Am Ende stände dann - auch das hielt Schopenhauer für möglich (!) - sogar die Selbstaufhebung des Willens. Da die Welt mit all ihrem Leid eine Manifestation des Willens ist, käme es, wenn der Wille sich durch einen “Läuterungsprozess” selbst aufheben würde, letztlich zur Erlösung aus dem Leid. So enthält die Philosophie des vermeintlichen “Pessimisten” Arthur Schopenhauer in ihrem Kern eine höchst tröstliche Botschaft, nämlich die der Erlösung. |
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