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Arthur Schopenhauer , 1815

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Arthur Schopenhauer

über sein Leben und Werk

Autobiographisches aus seinem geheimen Manuskript

Obiges Bild von Arthur Schopenhauer ist aus einem Gemälde des Malers Ludwig Sigismund Rühl. Es entstand 1815, also zu einer Zeit, in der Schopenhauer sein Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung niederschrieb. Als er das Manuskript 1818 dem  Verleger Brockhaus vorlegte, schrieb er an diesen:

Mein Werk also ist ein neues philosophisches System: aber neu im ganzen Sinn des Worts: nicht neue Darstellung des schon Vorhandenen: sondern eine im höchsten Grad zusammenhängende Gedankenreihe, die  bisher noch nie in irgend eines Menschen Kopf gekommen. (1)

Einige Jahre später, etwa um 1821/22, beginnen die überlieferten  Aufzeichnungen Schopenhauers in seinem autobiographischen Manuskript. Es trägt die griechische Bezeichnung  Είς έαυτόυ. Julius Frauenstädt, der Erbe des wissenschaftlichen Nachlasses Schopenhauers, fand dieses Manuskript nicht unter den ihm übergebenen Handschriften. Hierzu teilte ihm  Schopenhauers Testamentsvollstrecker, Wilhelm von Gwinner, mit: “ Das Είς έαυτόυ  war kein wissenschaftliches Manuskript, sondern betraf nur Persönliches ... Es war ein Heft von etwa 30 losen Blättern, aus dem er  (Schopenhauer) mir zuweilen etwas mitgetheilt hatte, und das, seinem Willen gemäß, nach seinem Tode vernichtet wurde.” (2)

So kann wohl davon ausgegangen werden, dass, vielleicht von Ausnahmen abgesehen, dieses Manuskript nicht veröffentlicht werden und insofern geheim bleiben sollte. Dennoch sind zumindest Teile davon in dem von Arthur Hübscher herausgegebenen  Handschriftlichen Nachlaß enthalten. (3) Der Studienkreis entnahm hieraus einige um 1822 niedergeschriebene autobiographische Notizen  Schopenhauers, da er sie für sehr aufschlussreich und wichtig hält, um Leben und Werk des Philosophen besser würdigen zu können.

Arthur Schopenhauer:    

Schon in früher Jugend habe ich an mir bemerkt, daß während ich alle Andern nach äußern Gütern streben sah, ich mich nicht darauf zu richten habe, weil ich einen Schatz in mir trage, der unendlich mehr Werth hat als alle äußern Güter und daß es nur darauf ankommt, diesen Schatz zu heben, wozu geistige Ausbildung und volle Muße, mithin Unabhängigkeit die ersten Bedingungen sind. Das Bewußtsein hiervon, im Anfang dunkel und dumpf, wurde mir mit jedem Jahre deutlicher, und war alle Zeit hinreichend, mich vorsichtig und ökonomisch zu machen, nämlich meine Sorgfalt auf die Erhaltung meiner selbst und meiner Freiheit zu richten, nicht auf irgend ein äußeres Gut.

Der Natur und dem Rechte des Menschen entgegen habe ich meine Kräfte dem Dienste meiner Person und der Förderung meines Wohlseins entziehen müssen, um sie dem Dienste der Menschheit zu schenken. Mein Intellect hat nicht mir, sondern der Welt angehört. Die Empfindung dieses Ausnahmezustandes und der durch ihn herbeigeführten schweren Aufgabe, zu leben ohne meine Kräfte für mich selbst zu verwenden, hat mich stets gedrückt und noch besorglicher und ängstlicher gemacht, als ich schon von Natur gewesen bin; aber ich habe es durchgeführt, die Aufgabe gelöst, meine Mission vollbracht.

Aus diesem Grunde bin ich auch berechtigt gewesen, sorgfältig darauf zu wachen, daß mir die Stütze meines väterlichen Erbtheils, die mich so lange hat tragen müssen und ohne welche die Welt nichts von mir gehabt hätte, auch im Alter bleibe. Kein Amt in der Welt, keine Minister- oder Gouverneurstelle hätte mich entschädigen können für meine freie Muße, wie sie mir von Haus aus oktroyirt worden ist.

So wenig als möglich zu wollen und so viel wie möglich zu erkennen ist die leitende Maxime meines Lebenslaufs gewesen ... (4)
                                                                                                                                                                                                                   

Weiteres: Arthur Schopenhauer aus Sicht seines “Erzevangelisten” Julius Frauenstädt  > hier.
 

Anmerkungen
(1)
Schopenhauers Brief vom 28.03.1818 an Brockhaus, in: Arthur Schopenhauer. Gesammelte Briefe. Hrsg. von Arthur Hübscher. 2. Aufl.,  Bonn 1987, S. 29 ff.
(2) S. hierzu Arthur Schopenhauer. Der handschriftliche Nachlaß in fünf Bänden. Hrsg. von Arthur Hübscher. Band 4, II, München 1985, S. 288 ff.
(3) Ebd.
(4) Ebd., S. 106 f.
Zur besseren Übersicht wurde dieses Zitat von der Redaktion des Studienkreises     in Absätzen gegliedert.
Als Schopenhauer obigen Manuskripteintrag zu seinem Lebenslauf schrieb, war er erst etwa 34 Jahre alt. Er starb 1860 und  hatte somit noch 38 Jahre Lebenszeit vor sich.

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