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Arthur Schopenhauer

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Arthur Schopenhauer
 zur Bedeutung von

Motiv , Charakter und Wille
im menschlichen Verhalten

Was bestimmt das menschliche Verhalten? - eine Frage, die im Alltag von erheblicher Bedeutung sein kann und auf die Arthur Schopenhauer philosophisch tiefgründige Antworten gegeben hat.

Laut Schopenhauer sind es zwei Faktoren, die - und zwar mit Notwendigkeit!- zu einem ganz bestimmten Tun oder Unterlassen führen, nämlich das jeweilige Motiv, das heißt der Beweggrund, und der Charakter:

"Jede That eines Menschen [ist] das nothwendige Produkt seines Charakters und des eingetretenen Motivs. Sind diese Beiden gegeben, so erfolgt sie unausbleiblich. Damit eine andere entstände, müßte entweder ein anderes Motiv oder ein anderer Charakter gesetzt werden. Auch würde jede That sich mit Sicherheit vorhersagen, ja, berechnen lassen; wenn nicht theils der Charakter sehr schwer zu erforschen, theils auch das Motiv oft verborgen und stets der Gegenwirkung anderer Motive, die allein in der Gedankensphäre des Menschen, Andern unzugänglich, liegen, bloßgestellt wäre.

Durch den angeborenen Charakter des Menschen sind schon die Zwecke überhaupt, welchen er unabänderlich nachstrebt, im Wesentlichen bestimmt: die Mittel, welche er dazu ergreift, werden bestimmt theils durch die äußeren Umstände, theils durch seine Auffassung derselben, deren Richtigkeit wieder von seinem Verstande und dessen Bildung abhängt. Als Endresultat von dem Allen erfolgen nun seine einzelnen Thaten, mithin die ganze Rolle, welche er in der Welt zu spielen hat."(1)

Wie stark die Wirkung der Motive für das menschliche Verhalten sein kann, erläuterte Schopenhauer durch lebensnahe Beispiele:

“Es ist durchaus [... eine] ganz trockene und buchstäbliche Wahrheit, daß, so wenig eine Kugel auf dem Billiard in Bewegung gerathen kann, ehe sie einen Stoß erhält, ebenso wenig ein Mensch von seinem Stuhle aufstehen kann, ehe ein Motiv ihn wegzieht oder treibt; dann aber ist sein Aufstehen so nothwendig und unausbleiblich, wie das Rollen der Kugel nach dem Stoß. Und zu erwarten, daß Einer etwas thue, wozu ihn durchaus kein Interesse auffordert, ist wie erwarten, daß ein Stück Holz sich zu mir bewege, ohne einen Strick, der es zöge. Wer etwan dergleichen behauptend, in einer Gesellschaft hartnäckigen Widerspruch erführe, würde am kürzesten aus der Sache kommen, wenn er, durch einen Dritten, plötzlich mit lauter und ernster Stimme rufen ließe: ´ Das  Gebälk stürzt ein! ` wodurch die Widersprecher zu der Einsicht gelangen würden, daß ein Motiv ebensomächtig ist, die Leute zum Hause hinaus zu werfen, wie die handfesteste mechanische Ursache.”(2)

In diesem Zusammenhang widersprach Arthur Schopenhauer dem weit verbreiteten Einwand, der Mensch könne tun, was er wolle:

“Ich kann thun was ich will: ich kann, wenn ich will, Alles was ich habe den Armen geben und dadurch selbst einer werden, - wenn ich will!, — Aber ich vermag nicht, es zu wollen; weil die entgegenstehenden Motive viel zu viel Gewalt über mich haben, als daß ich es könnte. Hingegen wenn ich einen andern Charakter hätte, und zwar in dem Maaße, daß ich ein Heiliger wäre [,] dann würde ich es wollen können; dann aber würde ich auch nicht umhin können, es zu wollen, würde es also thun müssen.” (3)


Weiteres: Charakter und Motivation in Schopenhauers Lebensphilosophie > hier .

Quellen
(1) Arthur Schopenhauer , Werke in zehn Bänden, 
Zürich 1977 (Zürcher Ausgabe), Band VI:
Preisschrift über die Freiheit des Willens, S. 95
(2) Ebd., S. 83 f.
(3) Ebd., S. 82 f.

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