Übersicht

Friedrich Max Müller

Upanishaden

Studienkreis

 Redaktion

Friedrich Max Müller
über
Arthur Schopenhauer
und die Philosophie des Vedanta

Arthur Schopenhauer

Friedrich Max Müller , in Großbritannien und Indien besser bekannt als Max Müller , geboren 1823 in Dessau, gestorben 1900 in Oxford, hatte sich als Sprach- und Religionswissenschaftler besondere Verdienste durch die Übersetzung und vergleichende Kommentierung der heiligen Sanskritschriften des Hinduismus erworben. Er wurde Professor in Oxford und zu einem der wichtigsten westlichen Wegbereiter für die Erforschung der Quellen des Vedanta , der wohl bedeutendsten  philosophischen Lehre im Hinduismus.

Sehr aufschlussreich ist sein Bericht aus dem Jahre 1884 über seine Begegnung mit Arthur Schopenhauer , dem er damals (um 1845) zunächst mit Zurückhaltung gegenübertrat, ihn aber später, wie die folgende Zitatstelle zeigt, als geistigen Riesen würdigte:

“ Ich wußte damals schon, daß die Geistesschicht dieser Upanischaden auf einer Reihe von älteren Schichten ruhte, und daß die tiefste Schicht, die uns in Indien erreichbar ist, in den Hymnen des Rigveda zu suchen sei. Die Upanischaden galten mir als etwas Secundäres und in gewissem Sinne Modernes,und ich bedauerte fast die Zeit, die ich ihrem Studium gewidmet hatte.

In dieser Stimmung traf ich [wohl auf der Reise von Berlin nach Paris] mit Schopenhauer zusammen, und es thut mir noch jetzt leid, daß ich damals durch meine einseitige Richtung die Gelegenheit verlor, diesem merkwürdigen und, ich muß gestehen, mir damals noch unverständlichen Manne näher zu treten.

Es war dies nicht ganz meine eigene Schuld. Es herrschte damals auf deutschen Universitäten eine Sitte, oder vielmehr Unsitte, von der man jetzt kaum noch eine Ahnung hat, daß nämlich Professoren, die entweder durch wissenschaftliche Controversen oder durch persönliche Rivalität mit andren Gelehrten in Conflikt gerathen waren, ihre Stellung auf dem Katheder dazu benutzten, um ihre Gegner und Rivalen, oft Männer, die ihnen an Charakter und Gelehrsamkeit ebenbürtig, ja weit überlegen waren, in den Augen ihrer jungen Zuhörer zu verdächtigen oder herabzuwürdigen.

Den Namen Schopenhauer's hatte ich in Vorlesungen nie anders als mit Verachtung oder Mitleid nennen hören, und da ich dies, wie vieles Andere, auf Treu und Glauben hinnahm, so fühlte ich damals gar kein großes Verlangen diesem Manne näher zu treten. Es dauerte lange, ehe ich durch eigene Lektüre die großen wie die kleinen Eigenschaften dieses geistigen Riesen kennen und würdigen lernte.

Auch hierin steht es jetzt besser als damals; denn jetzt würde ein solches Verfahren auf deutschen Universitäten für feig gelten und auch den größten Gelehrten in den Augen der akademischen Jugend herabsetzen und entehren.

Doch traten auch andere Gründe hinzu, welche eine geistige Annäherung verhinderten. Schopenhauer wollte von den Upanischaden wissen, ich wollte von ihnen nichts wissen: ich schwärmte für die alten Hymnen, er hielt sie für pures Priestermachwerk. So schieden wir, ohne uns gegenseitig zu verstehen. Ich muß jetzt bekennen, daß, hätte Schopenhauer nichts gethan, als aus der fürchterlichen Übersetzung von Anquetil Duperron den Sinn der Upanischaden zu entziffern, dies allein hinreichen würde, um ihm, selbst unter den Philologen, eine Ehrenstelle als Hermeneutiker [als Deuter der Upanischaden] zu sichern.”(1)

Dass Friedrich Max Müller später Arthur Schopenhauer und die Upanishaden sehr schätzen lernte, geht aus seinem auch in Indien bekannten Buch Six systems of Indian Philosophy hervor, wo er sich auf Schopenhauer bezog und bekannte:

“ I make no secret that all my life I have been very fond of the Vedanta. ... I can fully agree with Schopenhauer, and quite understand what he meant when he said, ' In the whole world there is no study, except that of the original (of the Upanishads), so beneficial and so elevating as that of the Oupnekhat (Persian translation of the Upanishads). It has been the solace of my life, it will be the solace of my death.'

        Schopenhauer was the last man to write at random, or to allow himself to go into ecstasies over so-called mystic and inarticulate thought. And I am neither afraid nor ashamed to say that I share his enthusiasm for the Vedanta, and feel indebted to it for much that has been helpful to me in my passage through life.”(2)

So teilte einer der bedeutendsten Religionswissenschaftler und Indologen des 19. Jahrhunderts, Friedrich Max Müller, die Begeisterung Arthur Schopenhauers für die Philosophie des Vedanta und zeigte damit, wie sehr er Schopenhauer , dem - nach seinen Worten - “geistigen Riesen”, nahe stand. Wie Schopenhauer würdigte er die geistigen Schätze Indiens, was er in einer Vorlesung an der Universität Cambridge vor Hörern, die vor allem aus dem britisch-indischen Zivildienst kamen, zum Ausdruck brachte:

“Wenn man mich fragte, unter welchem Himmel der menschliche Geist einige seiner auserwähltesten Gaben entwickelt, über die größten Probleme des Lebens am tiefsten nachgedacht und zu  manchen derselben Lösungen gefunden hat, welche die Beachtung selbst derjenigen, die Plato und Kant studiert haben, wohl verdienen - ich würde auf Indien weisen.”(3)

 Arthur Schopenhauer würde diesem Urteil sicherlich zustimmen, denn für ihn waren die altindischen Veden die “Frucht der höchsten menschlichen Erkenntniß und Weisheit, deren Kern in den Upanischaden uns, als das größte Geschenk dieses Jahrhunderts, endlich zugekommen ist “. (4)  

 

Anmerkungen

(1) F. Max Müller , Damals und Jetzt, in: Deutsche Rundschau,
Band XLI (1884), zit. aus: Arhur Schopenhauer , Gespräche,
neue Ausgabe, hrsg. von Arthur Hübscher,
Stuttgart-Bad Cannstatt 1971, S. 87.

(2) Friedrich Max Müller , Six systems of Indian Philosophy,
New York- London-Bombay 1899, S. 253.

(3) Aus einer Vorlesung von Friedrich Max Müller in der Universität Cambridge über das Thema “Was kann Indien uns lehren?” Deutsche Ausgabe unter dem Titel ”Indien in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung” v. C. Cappeler, Leipzig 1884, hier zit. n. Helmuth von Glasenapp, Die Indische Welt, Baden-Baden 1948, S. 317.

(4) Arthur Schopenhauer , Werke in zehn Bänden, Zürch 1977
(Zürcher Ausgabe), Band II: Die Welt als Wille und Vorstellung I,
S. 442.

 Übersicht

Upanishaden

Studienkreis

 Redaktion