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Arthur Schopenhauer : Kant und die Tierethik

Die Philosophie von Immanuel Kant ist nach Meinung Arthur Schopenhauers  "die wichtigste Lehre, welche seit 2000 Jahren aufgestellt" wurde.(1) Kant habe, wie Schopenhauer schrieb, "die größte Revolution in der Philosophie" bewirkt.(2) Mit solchen und ähnlichen Formulierungen würdigte  Schopenhauer an zahlreichen Stellen seiner Werke die bahnbrechende philosophische Leistung Kants.

            Dennoch war Schopenhauer kein blinder Verehrer Kants, was sich zum Beispiel auch daran zeigt, dass Schopenhauer seinem Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung (Band 1) einen umfangreichen Anhang mit dem Titel  Kritik der Kantischen Philosophie beifügte. Jedoch nicht nur dort, sondern auch in seiner  Preisschrift über die Grundlage der Moral setzte sich Schopenhauer mit Kant   kritisch auseinander, und zwar im Abschnitt Kritik des von Kant der Ethik gegebenen Fundaments .

             In der genannten Preisschrift wird deutlich, dass, besonders was die Tierethik (3) betrifft, Schopenhauer mit seiner allumfassenden, das heißt auch die Tiere einbeziehenden Mitleidsethik in einem entschiedenen Gegensatz zu Kant steht:

               "So beleidigt die echte Moral der [in Kants Schriften enthaltene] Satz,   daß die vernunftlosen Wesen (also die Tiere) Sachen  wären und daher bloß als Mittel, die nicht zugleich Zweck  sind, behandelt werden dürften. In Übereinstimmung hiermit wird, in [Kants] Metaphysischen Anfangsgründen der Tugendlehre, § 16, ausdrücklich gesagt: ´Der Mensch kann keine Pflicht gegen irgend ein Wesen haben, als bloß gegen den Menschen´; und dann heißt es § 17: ´Die grausame Behandlung der Tiere ist der Pflicht des Menschen gegen sich selbst entgegen; weil sie das Mitgefühl an ihrem Leiden im Menschen abstumpft, wodurch eine der Moralität im Verhältnis zu andern Menschen sehr diensame, natürliche Anlage geschwächt wird.`" (4)

           Zu dieser, das Tier zu einer bloßen Sache herabstufenden Erklärung Kants bemerkte Schopenhauer geradezu mit Empörung und Abscheu:

           " Also bloß zur Übung soll man mit Tieren Mitleid haben, und sie sind gleichsam das pathologische Phantom zur Übung des Mitleids mit Menschen. Ich finde [...] solche Sätze empörend und abscheulich. Zugleich zeigt sich hier abermals, wie gänzlich diese philosophische Moral, die [...] nur eine verkleidete theologische ist, eigentlich von der biblischen abhängt. Weil nämlich (wovon weiterhin) die christliche Moral die Tiere nicht berücksichtigt; so sind diese sofort auch in der philosophischen Moral vogelfrei, sind bloße ´Sachen`, bloße Mittel  zu beliebigen Zwecken, also etwa zu Vivisektionen, Parforcejagden, Stiergefechten, Wettrennen, zu Tode peitschen vor dem unbeweglichen Steinkarren - Pfui! über solche [...] Moral, - die das ewige Wesen verkennt, welches in Allem, was Leben hat, da ist, und aus allen Augen, die das Sonnenlicht sehen, mit unergründlicher Bedeutsamkeit hervorleuchtet. Aber jene Moral kennt und berücksichtigt allein die eigene werte Spezies, deren Merkmal Vernunft ihr die Bedingung ist, unter welcher ein Wesen Gegenstand moralischer Berücksichtigung sein kann."(5)

            Schopenhauer hat jedoch Kants "theologische" Moral, die allein auf das Wohl der Menschen ausgerichtet ist, also Tiere ausschließt, nicht nur strikt abgelehnt, sondern ihr, wie erwähnt, seine alle Wesen einbeziehende Mitleidsethik entgegengestellt und sie im Rahmen seiner Philosophie spirituell tief und überzeugend begründet. So kann Schopenhauer mit Recht als Wegbereiter für eine Tierethik gelten, die mit dem Abbau des bisher allein vorherrschenden anthropozentrischen Denkens zunehmend an Bedeutung gewinnt. So trifft auch im Hinblick auf die Tierethik   das Wort des Philosophen Max Horkheimer zu:

Das Denken Schopenhauers ist unendlich aktuell. (6)
 

Weiteres > Tierethik - Tierrechte - Schopenhauer

                            > Tierethik und Tierrechte (Blogbeiträge)

 

Anmerkungen

(1) Arthur Schopenhauer , Zürcher Ausgabe,
Werke in zehn Bänden, Band VII,
Parerga und Paralipomena I, Zürich 1977, S. 189.

(2) Arthur Schopenhauer , a. a. O., Band II,
Die Welt als Wille und Vorstellung I, S. 523.

(3) Zur Tierethik > Was ist Tierethik ? (Blogbeitrag).

(4) Arthur Schopenhauer , a. a. O., Band VI,
Die beiden Grundprobleme der Ethik /
Preisschrift über die Grundlage der Moral, S. 202.

(5) Ebd.

(6) Max Horkheimer , Die Aktualität Schopenhauers ,
in: Über Arthur Schopenhauer , hrsg, v. Gerd Haffmans,
Zürich 1977, S. 159.

 

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