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Indien : Staatswappen

Das obige rechte Bild zeigt das Staatswappen von Indien. Es ist einer Säule in der heiligen Stadt Sarnath nachgebildet. In Sarnath hielt der Buddha nach seiner Erleuchung seine erste Lehrrede, wodurch laut Überlieferung “das Rad der Lehre” in Bewegung gesetzt wurde. Dieses Rad (Dharma-Chakra), das auf dem Sockel der Säule mit den vier Löwen zu sehen ist, wurde zum Symbol des Buddhismus, also jener Religion, zu der sich Arthur Schopenhauer bekannte und die, nach eigener Aussage, seiner Philosophie im Vergleich zu anderen Weltreligionen am nächsten stand. (1) Unterhalb des Sockels ist ein Zitat aus den altindischen Upanishaden (Mundaka-Upanishad): Nur die Wahrheit siegt. (2)

Wie die Upanishaden, die zu den wichtigsten Texten der Philosophie Indiens gehören, so war auch Schopenhauer vom Sieg der Wahrheit überzeugt, denn es “ist die Kraft der Wahrheit, deren Sieg schwer und mühsam, aber dafür, wenn einmal errungen, ihr nicht mehr zu entreißen ist”.(3)

“Anschauung”, meinte Schopenhauer sehr zutreffend, ”ist die Quelle aller Wahrheit”.(4) Wird aber die Anschauung durch Begehren, welcher Art es auch immer sei, getrübt, dann bleibt die Sicht auf die Wahrheit verschleiert oder im indischen Sinne ausgedrückt: Der Schleier der Maya verhüllt die Wahrheit.

“Wie das Begehren des Menschen, so ist sein Wollen”,  heißt es in den Upanishaden . Auf die Frage, welches Begehren gemeint sei, konnten sie nur antworten, dass letztlich alles Begehren und damit alles Wollen aufzuhören habe (5) - eine Antwort, die, wie unten noch dargelegt wird, ganz der Philosophie Schopenhauers entspricht.

Schopenhauer lernte die Upanishaden in der Fassung des Oupnekhats kennen. “Es lag”, wie sein Biograf Wilhelm v. Gwinner als Augenzeuge berichtete, auf seinem Tisch, und vor dem Schlafengehen verrichtete er darin seine Andacht”.(6) Auch hieran wird deutlich, wie eng sich Schopenhauer der Philosophie  des alten Indiens verbunden fühlte.

Indien , das Vaterland der Metaphysik

In Indien, dem Vaterlande der Metaphysik  - so obiger Eintrag  Schopenhauers 1829 in sein Manuskriptbuch Adversaria (7) - fand Arthur Schopenhauer seine geistige Heimat. In der indischen Philosophie konnte er viel Übereinstimmung mit seiner Lehre, ja sogar ihre Bestätigung entdecken.  Das betrifft besonders den Kern seiner Philosophie, die Willensmetaphysik:  “Der innerste Geist ... der Indischen Weisheit”, so meinte Schopenhauer, sei “das Aufgeben allen Wollens, die Zurückwendung, Aufhebung des Willens und mit ihm des ganzen Wesens der Welt, also die Erlösung”.(8) Das entspricht ziemlich genau den zentralen Aussagen von Schopenhauers Lehre, die im Grunde eine Erlösungsphilosophie ist, wie aus dem Abschnitt Bejahung und Verneinung des Willens  im ersten Band von Schopenhauers Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung deutlich hervorgeht.

Einen nicht unwichtigen Vorzug der indischen Lehren sah Schopenhauer darin, dass “Brahmanismus [aus dem sich später der Hinduismus entwickelte] und Buddhaismus, der Wahrheit getreu, die augenfällige Verwandtschaft des Menschen, wie im Allgemeinen mit der ganzen Natur, so zunächst und zumeist mit der thierischen, entschieden anerkennen”.  Hingegen sei es “ein nicht weg zu erklärender und seine heillosen Folgen täglich manifestierender Grundfehler des Christenthums ..., daß es widernatürlicherweise den Menschen losgerissen hat von der Thierwelt, welcher er doch wesentlich angehört”. (9). Dementsprechend beziehen die indischen Religionen die Tiere in ihren Schutz mit ein und stimmen somit, und zwar im Gegensatz zum Christentum, auch in diesem Bereich der Ethik (Tierethik) mit der Schopenhauers  überein.

Die enge Verbundenheit Schopenhauers mit der Philosophie Indiens kommt nicht nur an vielen Stellen seiner  Schriften zum Ausdruck, sondern auf sie wird auch oftmals in der indologischen Literatur hingewiesen. Ein Beispiel hierfür sind die Vorlesungen eines der bedeutendsten Sprach- und Religionswissenschaftlers des 19. Jahrhunderts, Friedrich Max Müller, an der Universität in Cambridge. Am Ende einer seiner  Vorlesungen, die für  Kandidaten des britisch-indischen Zivildienstes bestimmt waren, zitierte Müller zur Bekräftigung seiner hohen Wertschätzung der Upanishaden aus Schopenhauers Schriften. Er bezog sich hierbei auf jene Stelle der Schriften, in der Schopenhauer erklärte, dass das Oupnekhat (Upanishaden) “die belohnendeste und erhabendeste Lektüre [sei], die (den Urtext ausgenommen) auf der Welt möglich ist: sie ist der Trost meines Lebens gewesen und wird der meines Sterbens seyn”.(10)

Arthur Schopenhauer interessiert sich für alles, was sich im Zusammenhang mit der Philosophie und den Religionen Indiens im Laufe der Jahrtausende dort ereignet hatte. Ein fundamentaler Einschnitt in die indische Geschichte war die von Schopenhauer heftig kritisierte Eroberung weiter Teile Indiens durch den Islam und dann durch die christlichen Kolonialmächte: “Besonders laß uns Indien nicht vergessen, diesen heiligen Boden, ...woselbst zuerst Mohammedaner und nachher Christen auf das Gräulichste  gegen die Anhänger des heiligen Urglaubens der Menschheit gewüthet haben und die ewig beklagenswerte, muthwillige Zerstörung und Verunstaltung urältester Götterbilder  noch jetzt Spuren des monotheistischen Wüthens der Mohammendaner uns vorhält ...; welchen nachher es gleich zu thun die portugiesischen Christen sich treulich bemüht haben, sowohl durch Tempelzerstörungen als durch Autos de Fe [öffentliche Ketzerverbrennung] der Inquisition zu Goa.” (11)

Später war es die britische Kolonialmacht, welche  die christliche Missionierung Indiens vielleicht nicht so brutal wie oben geschildert, aber dennoch mit ihren Macht- und Geldmitteln nachdrücklich gefördert hat. Schopenhauer, der ohnehin  das Missionswesen für den “Gipfel menschlicher Zudringlichkeit, Arroganz und Impertinenz” (12) hielt, beobachtete alle Missionsversuche in Indien mit entschiedener Ablehnung. Er konnte dabei aber beruhigt zur Kenntnis nehmen, dass in Indien ”die Brahmanen die Vorträge der Missionarien mit herablassendem beifälligen Lächeln, oder mit Achselzucken erwidern und überhaupt unter diesem Volke, der bequemsten Gelegenheit ungeachtet, die Bekehrungsversuche der Missionarien durchgängig gescheitert sind”. (12)

Arthur Schopenhauer schrieb das vor mehr als 150 Jahren. Ob seine Erkenntnisse zum Einfluss der Religionen in Indien auch heute noch zutreffen, mag man bezweifeln, denn dort, wie überall, scheint sich die Macht des weltumspannenden Kapitalismus durchzusetzen, so dass offenbar mehr und mehr gilt: Geld regiert die Welt. Es wird jedoch immer Menschen geben, die in der Philosophie Indiens und der Schopenhauers Trost und Hoffnung in dieser vom Materialismus zunehmend beherrschten Welt suchen und finden.

Weiteres zur Philosopie Indiens :

Gleichnisse zum Tat-twam-asi im Chandogya-Upanishad > hier.

> Schopenhauer und Buddhismus .

Sadhu mit Heiliger Kuh in Indien

Ein Sadhu (Heiliger in Indien), der sich zur Ahimsa (Gewaltlosigkeit) verpflichtet hat, mit Heiliger Kuh.(Quelle: WIKIPEDIA > hier / Stand: 16.09.2019).

Anmerkungen

(1) Arthur Schopenhauer , W II,  S. 186.

(2) Derkwillem Visser, Flaggen, Wappen, Hymnen,
Augsburg 1994, S. 151.

(3) Arthur Schopenhauer, W I, S. 42 f.

(4) Arthur Schopenhauer , W I,  S. 77.

(5) Hermann Oldenberg, Die Lehre der Upanishaden und die Anfänge des Buddhismus, 2. Aufl., Göttingen 1923, S. 116.

(6) Wilhelm v. Gwinner , Schopenhauers Leben, Leipzig 1910, S. 342.

(7) Ausschnitt aus: Arthur Schopenhauer , Manuskriptbuch Adversaria (1829), S. 332. Quelle > Handschriftlicher Nachlaß
(Univ.-Bibl. Frankfurt a. M. /Stand: 14.06.2019)

(8) Arthur Schopenhauer , W I, S.  275.

(9) Arthur Schopenhauer , P II, S. 396.

(10) Friedrich Max Müller, Indien in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung, Vorlesungen gehalten an der Universität Cambridge,  Leipzig 1884, S. 218. S. dazu: Arthur Schopenhauer , P II, S. 427.

(11) Arthur Schopenhauer , P II, S. 381.
Auch was die Inquisition in Goa angeht, hatte Schopenhauer nicht übertrieben, wie sich aus dem betreffenden Artikel in > Wikipedia (Stand: 15.06.2019) ergibt.

(12) Arthur Schopenhauer, P II, S. 351.

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