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Arthur Schopenhauer

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Arthur Schopenhauer

- dargestellt in Auszügen aus seinen Werken

von Julius Frauenstädt

Anschauung und Erkenntnis

Der innerste Kern jeder ächten und wirklichen Erkenntniß ist eine Anschauung; auch ist jede neue Wahrheit die Ausbeute aus einer solchen. Alles Urdenken geschieht in Bildern: darum ist die Phantasie ein so nothwendiges Werkzeug desselben, und werden phantasielose Köpfe nie etwas Großes leisten, - es sei denn in der Mathematik. - Hingegen bloß abstrakte Gedanken, die keinen anschaulichen Kern haben, gleichen Wolkengebilden ohne Realität. Selbst Schrift und Rede, sei sie Lehre oder Gedicht, hat zum letzten Zweck, den Leser zu derselben anschaulichen Erkenntniß hinzuleiten, von welcher der Verfasser ausgieng: hat sie den nicht, so ist sie eben schlecht. Eben darum ist Betrachtung und Beobachtung jedes W i r k l i c h e n , sobald es irgend etwas dem Beobachter Neues darbietet, belehrender als alles Lesen und Hören. Denn sogar ist, wenn wir auf den Grund gehen, in jedem Wirklichen alle Wahrheit und Weisheit, ja das letzte Geheimniß der Dinge enthalten, freilich eben nur in concreto [ im besonderen Fall ], und so wie das Gold im Erze steckt: es kommt darauf an, es heraus zu ziehen. Aus einem Buche hingegen erhält man, im besten Fall, die Wahrheit doch nur aus zweiter Hand, öfter aber gar nicht.
[Arthur Schopenhauer´s sämmtliche Werke. Hrsg. von Julius Frauenstädt. 2. Auflage, Leipzig 1919, Band 3 : Die Welt als Wille und Vorstellung II, S. 77.]

S .Arthur Schopenhauer . Lichtstrahlen aus seinen Werken.
Mit einer Biographie und Charakteristik Schopenhauer´s
 von > Julius Frauenstadt , 6. Aufl., Leipzig 1888, S. 1 f.

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